Eine winzigkleine Alpentour
Die Zeit war mehr als knapp: 1 Woche!!! Und da sollte was draus werden? Und das
im Oktober!
Man wird seh'n.
Zunächst waren die Alpen weit, weit weg und man braucht eigentlich schon einige
Tage, um dort hinzukommen, aber bei einer Woche?
Also mit 'nem Zug!
Die Planung war nicht sonderlich ausgiebig:
"Was? Morgen geht's los? Na, dann werd' ich mal packen..."
Abends am Freitag war ich bei meinem Mitstreiter Ringo Scheffler und wir überlegten,
was wir bis morgen früh um 4.30 Uhr machen sollten. Es wurde beschlossen,
die Nacht "durchzumachen".
Noch viele Stunden, bis der Zug losfuhr. Aber Kollege Scheffler kannte ein paar
Kilometer weiter ein paar Knilche, die gerade draußen am Feuerchen saßen.
So vergingen in gemütlicher Runde ein paar Stunden.
Als sich die Gastgeber in die Betten verkrümeln wollten, fuhren wir erst mal über
den Elbe-Radweg nach Dresden zum Hauptbahnhof. Diese komischen Pfähle, welche
eigentlich gegen Autos aufgestellt waren, sind ja lebensgefährlich!!!
In Dresden angekommen, versuchten wir, in ständiger Hörweite von irgendwelchen
Suffköppen, die nächsten paar Stunden durchzuhalten. An Schlaf war aufgrund
von Kälte und irgendwelchen seltsamen Gestalten, die ständig an uns vorbeiliefen
kaum zu denken.
Die Zeit kann ja sooo langsam vergehen.
Als dann endlich Sonnabend war, organisierten wir uns erst mal 1 Wochenendticket (35
Mark) und ein zugehöriges Ticket für die Fahrräder (ca. 15 Mark).
Wir warteten noch viele Stunden, doch endlich war es so weit.
Der schön geräumige Zug fuhr los und ein paar Jugendliche, die zum Oktoberfest
nach München wollten, erzählten sich irgendwelche Heldengeschichten, wie
sie allein eine ganze Palette Bier in sich reingeschüttet haben.
Es wurde später (nach hundert mal umsteigen) und verdammt eng im Zug. Tausende
Leute wollten sich in München volllaufen lassen.
Trotz erheblicher Zugverspätungen waren wir dann doch abends in (------) und ein
freundlicher Herr mit Fahrrad und Bierfahne zeigte uns bei strömenden Regen den
Weg zum nächsten Zeltplatz. Der Schock: 25 Mark für eine Nacht!!! Woanders
kostet das 3 Mark.
Bestimmt eine Ausnahme, wir bezahlten und suchten einen Platz für's Zelt. Gar
nicht so einfach, überall war so eine schotterähnliche Oberfläche und
es war schon verdammt finster.
Nach vielen Mühen und verbogenen Häringen stand mein Zelt. Damit es nicht
umfiel, wurden ein paar Stricke ans Fahrrad gebunden. Ringo hatte noch nicht die Technik
raus, die Häringe horizontal zwischen Steine und das bisschen Gras zu schieben,
aber auch er schaffte es.
Hoffentlich hört der Regen bald auf..
Der Morgen kam, es regnete (noch) nicht und 1/2 Meter hinter meinem Zelt war ein ganz
schön großer Abhang. Ui!
Wir fuhren bei ziemlich feuchtem Wetter los, durch teilweise sehr
interessante Landschaft
Immer zwischen Bergen durch, am Fluss lang. Es war leider nicht möglich, ordentliche
Fotos zu machen.
Der Nächste Zeltplatz war in Zell am See (am Zeller See, wie fantasievoll).
Am oberen Zeltplatz war bei der Rezeption keiner zu finden, also fuhren wir unten zu
dem.
Preis: 35 Mark!!! und immer noch so beschissener Untergrund!
Und dann kam noch ein Spruch, wie freundlich sie zu Radfahren sind, da sie meist nicht
so viel Geld haben.
Nee, du.
Am nächsten Morgen kauften wir noch Proviant für die nächsten paar Tage
in einem Aldi-ähnlichen Laden und fuhren bei gutem Wetter zur
Großglockner-Hochalpen-Sraße.
Es ging ewig bergauf, nie bergab. Aber es ging. Als wir dachten, dass es nicht mehr
weit sein kann, kamen wir an einer Maut-Stelle vorbei. Auf die nächsten 33km gab
es 12% Steigung.
Ach, so schlimm wird's schon nicht. Es wurde steiler, aber man sah in der Ferne ja
schon das Ende der Bergauffahrt. Ha, denkste, es ging immer weiter und weiter und
weiter.....
Als wir gerade ein Päuschen machten, kam gerade ein Radfahrer ohne Gepäck
und wollte zur Edelweißspitze. Verkrampft versuchte ich, einen Dialekt herauszuhören,
aber es war unmöglich. Des Rätsels Lösung: Er kam auch aus Sachsen.
Aha. Wir fuhren ein Stück zusammen weiter und amüsierten uns über irgendwelche
Städter, die voller Begeisterung eine Kuh fotografierten, die auf der Straße
stand.
Wie kann man nur so tief sinken?
Der Schock kam erst bei einer der vielen Karten, die überall rumstanden: Waas?
dort sind wir erst??
Der gepäcklose Sachse war viel schneller als wir und wir trennten uns.
Auch die Baumgrenze lag schon unter uns.
Die Autofahrer waren ungewohnt freundlich, wir sahen wohl auch geringfügig
mitleiderregend aus. Trotz schlechter werdendem Wetter konnte man sich immer
noch an diesen karnickelgroßen Murmeltieren erfreuen, die mit uns aber nischt
zu tun haben wollten (eingebildete Viecher!).
Es war inzwischen egal, ob man schob oder fuhr, die Geschwindigkeit war die gleiche.
Irgendwann kam uns unser kurzzeitiger Begleiter wieder entgegen. Er hatte keine Kraft
mehr für die Edelweißspitze und hat sich in der Kneipe oben vollgefressen.
Die letzten paar Kilometer waren die schlimmsten. Man sah zwar das Ziel, aber man kam
soo langsam voran. Es dauerte Stunden!
Es war schrecklich kalt, die Aussicht war mies, es wurde langsam dunkel, es regnete
wie verrückt und wir waren ordentlich durchgeweicht.
Was will man mehr?
Wir fuhren an der anderen Seite wieder runter, aber Freude wollte nicht aufkommen.
Es war kalt und unsere Hände waren für nischt mehr zu gebrauchen.
Doch dann ging es wieder bergauf und durch kräftiges Schieben
wurde es wieder warm.
Kollege Scheffler sagte zu mir "Du hast wo zu warme Hände?", den ich
fing an, einen kleinen Schneemann zu bauen. Der wurde wirklich gut!
Ein Fahrzeug hielt weiter oben an, eine Familie sprang raus und hielt zu Fotozwecken
ein paar Schneebrocken hoch. Sie warteten aber mit den Fotos, da die Gefahr bestand,
dass 2 Radfahrer mit drauf waren. Welch Blamage, hähä.
Es ging durch 2 kleine Tunnel und es war erstaunlich, wie am anderen Ende das Wetter
so völlig anders sein konnte.
Es ging ordentlich bergab. Zwischendurch machten wir Liegestütze, um uns
aufzuwärmen.
Die Landschaft war sehr interessant. Weiter unten regnete es wieder.
Wir fragten uns in Heiligenblut(komischer Name für eine Stadt) zum nächsten
Zeltplatz durch. Wir waren die einzigen, aber trotzdem gepfefferte Preise!
Wenigstens besserer Boden. Auch die Lage war toll, ein paar Meter vor uns ging es eine
hohe, steile Wand hoch.
So eine Bergfahrt dauerte länger als gedacht und unsere Reisepläne wurden
drastisch reduziert.
Auch nachts blieb uns die Nässe nicht erspart. Ringo hatte sich ein winziges Einmannzelt
gekauft, wobei der Schlafsack an die Zeltwand anstieß und das Wasser sich im
Schlafsack ausbreitete. Ich hatte nicht solche Probleme, mein Schlafsack war vorher
schon feucht. Nasse Klamotten kamen mit in den Schlafsack, die einzige Möglichkeit,
etwas zu trocknen.
Der nächste Morgen kam und mit ihm der nächste Schreck: sogar die niedrigeren
Berge waren verschneit. Also das hat uns erst mal die Lust am weiterfahren genommen
und wir wollten uns mal die Gegend genauer ansehen. Durch heftigen Regen verlor man
auch darauf die Lust.
Ohne zu bezahlen blieben wir noch eine Nacht. Ich glaube, das fiel auf, da wir immer
noch die einzigen waren.
Daher machten wir uns am nächsten Morgen zeitig auf und hoben die bepackten Fahrräder
über die etwa 1m hohe Mauer, um blos nicht an der Rezeption vorbei zu müssen.
Wir fuhren wieder zurück in Richtung Zell am See.
Das Wetter war, wie immer, furchtbar.
Die Leute staunten, dass wir trotz des Wetters da hoch fuhren.
Weiter oben lag reichlich Schnee und wir kamen schneller voran, als wir dachten.
Hätten die vielen Reisebusse keine verglasten Fenster gehabt, währen sicherlich
viele Rentner vor Staunen rausgefallen. Nee, das sah aus, als die uns entdeckten, wie
wir uns durch den Schnee kämpften. Bilder davon gibt's nicht, wir hatten andere
Sorgen
Es wurde langsam wieder kalt, die Beweglichkeit der Finger ließ trotz Handschuhen
nach, es war neblig und es regnete, aber nach dem 2. Tunnel war plötzlich Sonnenschein
und von Kälte keine Spur. Seltsam.
Plötzlich waren wir oben und entschlossen, noch die Edelweißspitze hochzufahren.
Es waren reichlich Autofahrer da, die sich alle stolz neben das 2577m-Schild stellten,
um fotografiert zu werden. Lächerlich.
Dann ging es ordentlich bergab. Zwischendurch mussten wir uns erst mal
wieder aufwärmen.
Brrrrr...
Das Wetter war nicht mal so schlecht und wir fuhren auf Radwegen durch
seltsame Gegenden, Schotterstrecken
und einen 30%-Berg hoch.
Wir hoben bei Hirschbichtl die Fahrräder über eine Schranke und befanden uns wieder
in Deutschland.
Langsam wurde es finster. Wir sahen uns nach einem Schlafplatz um und fanden ihn.
Eine Scheune, in der Winterfutter für die Viecher des Waldes gelagert wurde, u.A.
tonnenweise Äpplmatsch. Roch nicht mal so schlecht.
Ich hängte das Zelt zum Trocknen über ein Gestell und wir legten die Schlafsäcke
hin.
Ein Knicklicht, welches ich vor langer Zeit mal geschenkt bekam, leistete gute Dienste
beim Ausleuchten des Lagerplatzes.
Nachts hörte man ein Rascheln und morgens fand ich in der Fahrradtasche
Krümel statt Waffeln. Da diese Krümel schlecht herauszubekommen waren,
vermischten sie sich im Laufe des Tages mit Wasser und den Rest kannst du
dir sicher denken.
Mäuse waren es bestimmt nicht, da diese die blöde Angewohnheit hatten, überall
hinzuscheißen.
Wer war es dann?
Hmm... Egal.
Die Scheune befand sich auf einem eingezäunten Gelände mitten im Wald. Abends
war das Tor (vom Zaun) noch offen, früh nicht mehr. Da ich es aber trotzdem noch
aufbekam, mussten wir nicht die Fahrräder über den 2 1/2 m hohen Zaun heben.
Ich fand auch meine Armbanduhr wieder, die ich abends am Fluss in der Nähe zum
Waschen abgelegt hatte. Glück gehabt.
Wir fuhren weiter relativ planlos durch die Gegend, teilweise über sehr steile
Wanderwege.
Plötzlich machte es "Ping".
Nanu, was war denn das?
Lösung: hinten hat sich bei mir eine Speiche verabschiedet. Glücklicherweise
hatte ich 3 mit.
Das Gepäck wurde abgenommen, das Hinterrad abgebaut. Hoppla, es waren sogar 3
Speichen.
Leider bekam ich den Zahnkranz nicht ab, Werkzeug vergessen.
Ein paar Meter neben uns war ein Fahrradverleih.
Ich suchte ewig jemanden und fragte schließlich nach einem Stück Werkzeug
zum mal ausleihen.
Nischt war, ich sollte das Fahrzeug herbringen.
Ich brachte es her, er schraubte die Zahnräder ab und ich die Speichen an(in der
tollen Werkstatt mit noch tollerem Werkzeug).
Beim Zentrieren sah ich wohl etwas hilflos aus und der freundliche Herr übernahm
das.
Er entdeckte noch ein Problem mit dem Lager und bevor ich protestieren konnte, war
mein schönes Hinterrad völlig zerlegt.
Nebenbei kam noch ein Opa angelaufen(er war nach dem 1. Weltkrieg auch mal in Sachsen)
und erzählte, wie sie damals ihre Fahrräder ohne Reifen gängig
machten.
Ich betrachtete mir den Laden mal genauer. Da konnte man sich für ein paar Mark
am Tag Fahrräder für viele Tausend Mark ausleihen.
Plötzlich hing mein toller 100mal geflickter Schlauch irgendwo rum und mein Hinterrad
hatte auf einmal einen neuen, mit neuen Gummieinlagen. Sämtliche Teile wurden
geölt und gefettet und ich war völlig hilflos.
Oje, was sollte das blos kosten???
So schnell wie möglich baute ich mein Fahrrad wieder zusammen, damit er nicht
noch mehr machen konnte.
Dann die alles entscheidende Frage nach dem Preis:
Ratet mal!
Nee, nischt is.
Der wollte nix, überhaupt nix!!!!
Ich hätte ja alles erwartet, bis auf das.
Des Rätsels Lösung:
Er war selbst begeisterter Radfahrer und kannte sich mit Radtouren und den Problemen
aus.
Deshalb fragte er uns auch mindestens 3 mal, ob wir genug zu Essen mithaben.
(Das war letztes Jahr ein ziemlich großes Problem, vor lauter Fahren vergaßen wir
das Einkaufen)
Trotzdem holte ich den letzten Schein aus meiner Brieftasche und legte ihn auf die
Werkbank, da er sich hartnäckig weigerte, ihn anzunehmen.
Leute gibt's...
Weiter ging's.
Dann hatten wir mal wieder eine laaange Straße und fuhren ewig bergauf.
Als es wieder dunkel wurde fuhren wir in einen Waldweg rein, bogen noch ein paar Fußwege
ein und bauten in ziemlich sumpfigen Gelände mein Zelt auf.
Finster war das...
Trotzdem schaffte ich es, das Ding aufzustellen.
Rechtzeitig, bevor es zu regnen anfing.
Nach einer kalten Nacht im nassen Schlafsack fuhren wir weiter und weiter und waren
plötzlich in Salzburg. Wir irrten bei schrecklichem Regen durch die Stadt, ließen
und von Autofahrern anhupen und von Fußgängern beschimpfen. Tolle Stadt,
schnell weg hier!
Wir fuhren und fuhren irgendwo rum und kamen zum (???)er Bahnhof.
Leider machte das Gebäude nachts zu und wir konnten nicht im Trocknen übernachten.
Wir suchten also im Dunklen bei strömenden Regen einen Platz, um mein Zelt
aufzustellen.
Irgendwo fand sich ein kleines Stück Wald und als das Zelt endlich stand (krumm
und schief), waren wir völlig durchgeweicht und hatten eine Menge Wasser im Zelt.
Wir futterten gerade, was noch Essbares da war, als ein Traktor sich näherte.
Wie befürchtet hielt er an. Wir waren so ruhig wie möglich, aber ein schönes
blaues Zelt ist nicht leicht zu übersehen.
"Hallo, Is do Wea?"
Mist!
Ich öffnete und der Bauer fragte, woher und wohin.
Dann sagte er: "Oah, Soxn seids, hätt i mia denkn kenn. Von mia oas kennts
bleim."
Puh, das währe erledigt.
Das war die schlimmste aller Nächte.
Saukalt, der nasse Schlafsack wurde überhaupt nicht warm und in regelmäßigen
Abständen tropfte es auf den Schlafsack und in mein Gesicht.
Der Vorteil war, dass wir den Zug nicht verpassten, da ich alle 5 Minuten auf die Uhr
sah, wann die Nacht endlich vorbei ist.
Wir packten das klatschnasse Zeug ein und fuhren zum Bahnhof.
Mittels Wochenendticket kamen wir wieder billig in die Heimat.
Ich hatte abends (natürlich bei Regen, Kälte und Dunkelheit) noch etwa 15
km zu fahren.
Probleme machten meine Füße, die seit Tagen ständig nass waren.
Zu Hause konnte ich nicht mal mehr aufstehen.
Auuuu...tat das weh!
Am nächsten Morgen wurden die nassen Sachen (im Prinzip alles, vom Schraubenschlüssel
bis zum Zelt) zum Trocknen ausgebreitet bzw. aufgehängt.
Wetterbericht am nächsten Tag: In den Alpen wunderbarer Sonnenschein und Mistwetter
in Sachsen.
Mein armer Fotoapparat hat diese Fahrt seelisch nicht verkraftet.
Nur noch dieser eine Film wurde voll (leider ohne Blitz), dann kam ein Totalausfall.
Fazit:
War 'ne Woche wie jede andere.
Schreib doch mal was ins Gästebuch :)