Das ist also mein Nordkap-Radelbericht.
Ortsnamen sind vermutlich zu 90% falsch geschrieben, weil ich meine eigene Schrift
nur selten richtig entziffern kann und zu faul bin, ständig nachzusehen.
2 Tage fehlen noch (Deutschland), weil ich nicht mehr weiß, was da passiert ist
Wer den kompletten Bericht als zip (2 MB) runterladen will, der möge
hier klicken.
Wer einen Bericht einer Radtour nach Kroatien sucht, klicke hier: Kroatien 2002
(getippt von Ringo Scheffler, weil ich noch mit diesem Text beschäftigt war)
Vorwort
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Kameradinnen und Kameraden,
meine Damen und Herren,
in diesem, Ihnen vorliegenden Werk bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla
bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla bla...
Schluss mit dummen Gequatsche und los geht's:
So ungefähr war die Strecke:
Hinweis:
Innerhalb von Deutschland fuhr ich in Begleitung zweier Kollegen, ihre Sicht der Dinge aus Sicht von Sebastian gibt es
hier <-- anklicken!.
Do, 19.07.01
Nachmittags kamen 2 Radfahrer bei mir angeradelt und erzählten was von einer Radtour.
Dunkel erinnerte ich mich, dass ich ja auch sowas vorhatte und bepackte auch mein Fahrrad.
Der eine Radfahrer heißt Sebastian und studiert, wie ich, Informatik. Der andere hat auch
einen Namen, den ich aber vergessen habe und gehört irgendwie in Sebastians Verwandschaft.
Mir ist irgendwie unklar, wie sie so leichte Fahrräder haben können, obwohl sie ziemlich
viel Ramsch mitschleppen. Ich zog noch ihre schrecklich lockeren Speichen fest und
bastelte einen ca. 0.3187 mm dicken
Distanzring für Sebastians Zahnkranz,
da dieser immer fest wurde. Nach ein paar letzten Einkäufen und Tischtennisspielerei wurde
bis zum nächsten Tag genächtigt.
Fr, 20.07.01
Strecke: Dippoldiswalde, Dresden, Radeberg, Pulsnitz, Kamenz, Wittichenau, Knappensee.
7.00 Uhr kreischte das Eigenbau-Weckradio entgegen allen Erwartungen tatsächlich los.
Nach dem Frühstück schwangen wir uns auf die Räder
und schon nach wenigen Kilometern hopste mir eine 1,5l-Flasche vom Fahrrad, kam irgendwie
mit dem Schraubverschluss auf die Straße
auf, welcher sich dadurch öffnete und 50% des Flascheninhalts ergoss sich über die Straße
statt, wie geplant, in
meinen Mund. Ein weiterer Strick hält jetzt alles ordentlich fest. Meine beiden
Begleiter schmissen heute noch öfters
mit Flaschen um sich. Zwischen Dresden und Radeberg flog erstmalig meine Mütze vom Kopf
(Fahrtwind) - ein historischer Moment.
Je weiter wir uns nach Norden bewegten desdo mehr ist der Preußische Dialekt zu hören.
Manchmal verstand man gar nichts,
weil die Leute sorbisch redeten. Der Zeltplatz am Knappensee kostete mittlerweile mehr
als das doppelte von dem, was ich noch vor 2 Jahren bezahlt habe. Aber 7 Mark sind noch
nicht soo schlimm. Bezahlt wurde erst am nächsten Tag, weil der Drucker nicht funktionierte.
Ameisen (die frecherweise ihr Nest unter meinem Zelt aufgebaut haben), Fliegen, Spinnen
und Mücken waren die Ersten im Zelt. Meine 6-Mark-Baumarktplane wurde irgendwie vor die
Zelte gespannt. Den heutigen Weg hatte ich komplett im Kopf.

Sa, 21.07.01
Nachts gab's Regen, der aber morgens aufhörte. Der Zeltplatzbesitzer ist weder der
Schnellste noch der Hellste.
Erst immer noch kein Drucker, dann war er erst mal weg, dann verlangte er mehr als
den 3fachen Preis, verrechnete sich noch einige Male, kam mit dem Rechner nicht
zurecht,... Am Ende haben wir ihn noch um ein paar Mark beschissen und machten uns
aus dem Staub.
Irgendwann bemerke ich, dass ich meine Jacke zu Hause vergessen habe. Im Kaufland,gab
es auch keine. Mittags wurden 4 Mark in gebratene Nudeln investiert. Nach einer
schrecklich langweiligen Strecke (nur Flachland, lange gerade Straßen), Ameisen
und anderen Insekten am Straßenrand kamen wir auf einen Zeltplatz wo man 5 Mark/Zelt
und 6 Mark/Person bezahlt.
Hier gab es Berge, die gewaltige 100m Höhe erreichen, den ganzen Tag gab's nicht mal
kleine Hügel. [???] baute
ein Zelt direkt auf einen Strauch, der vorher gar nicht zu sehen war, das gab ordentlich
Anschiss von Dauercampern, die den extra hier gepflanzt haben. Außerdem war das Zelt zu
nahe an ihrer Residenz.
So, 22.07.01
Mo, 23.07.01

Di, 24.07.01
Heute ca. 136,6670236 km geradelt. Genauer weiß ich es nicht, denn mein Tacho (der sowieso nicht
mehr richtig funktionierte) ist verschollen.
Wir radelten bis Stahlbrode, wo wir mit der Fähre nach Rügen fuhren.
3 Personen + 3 Fahrräder --> 9.50 DM.
Hier gab es wenigestens richtige Landschaft mit kleineren Bergen, endlich mal wieder
ein paar Abfahrten. Mehr durch Zufall kamen wir
an einen langen Sandstrand südlich von Saßnitz. Als die Badenden und Sonnenrumlieger
verschwanden bauten wir die Zelte auf und
weil direkt vor uns eine Feuerstelle ist, wurde abends herumliegendes Holz in Brand gesetzt.
Einige Meter vom Strand entfernt stehen
halbfertige Hochhäuser, die ziemlich zersprengt wurden. Natürlich mussten die Bauwerke
genauer untersucht werden. In
unterirdischen Räumen sind Einschusslöcher, vermutlich von einem Maschinengewehr, zu
finden. Die Wände und Decken
sind äußerst wacklig. Im Dunklen begaben wir uns noch ins Wasser und später bemerke ich,
dass die Packtaschen, das
Zelt und mein Mund voll Sand sind. Heute hatte ich eine "Allwetterjacke" gekauft,
Im Prinzip Wasserabweisend (für ein
paar Tage) und innen mit dünner Gummibeschichtung, die sich mit der Zeit auch aufgelöst
hat.
Mi, 25.07.01
Heute sind wir erst mal durch den Saßnitzer Stadthafen geradelt und dann 13.00 Uhr zum
Saßnitzer Fährhafen, den
ich so toll fand, dass ich mich von meinen beiden Begleitern verabschiedete und mit der
nächsten Fähre nach Skandinavien
fuhr. 35,00 DM + 3,00 DM Spritzuschlag (die Schweine!). Auf der Fähre entdeckte mich ein
50jähriger Knilch, der mich so
lange vollquatschte bis ich in einem günstigen Augenblick entfliehen konnte. Leider ist die
Fähre so klein, dass er mich
nach ein paar Minuten wiederentdeckte. Irgendwann war ich dann in Trelleborg (Schweden),
wo mich ein Grenzbeamter fragte: "Waffen? Drogen?".
Ich lehnte ab, weil ich selbst die Taschen voll davon hatte. Ich verließ (ja, das
kleingeschriebene 'verließ') Trelleborg
in nördliche Richtung, da ich zum Nordkap wollte. Leider erreichte ich das Nordkap heute
nicht mehr, dafür wurde ich 5 mal
von einem dänischen Mofafahrer überholt, der mir schon in Deutschland aufgefallen ist mit
seinen selbstgebastelten Packtaschen aus Presspappe und Holz (mittleres Foto, rechte Spur).
Ich fuhr auf der [108] bis Lund, wo ich mir bei einem Geldautomaten
1000 Währungseinheiten holte. Der
Umtauschkurs ist mir völlig unbekannt. Nach Lund kommt man ziemlich einfach, raus zukommen
ist fast unmöglich, da die Straße
für Radfahrer gesperrt ist und die Radwege sonstwo hinführten. Ich brauchte ewig, völlig
erschöpft schaffte ich es dann doch.
Ich fuhr noch bis kurz vor Marieholm und stellte das Zelt an einen Waldrand.
Ich bemerkte, dass durch den Wald Wege führten, die frisch gemäht waren.
Richtiger Rasen, ideal für's Zelt. Als es dunkel wurde hörte ich
nachts hinter dem Zelt ein gefährlich klingendes Geräusch, wie eine Kreuzung aus
Hund und Wildschwein. Etwas beunruhigt schlief ich ein.
Do, 26.07.01
7.30 Uhr fuhr ich los, der Verkehr ist weniger geworden.
Als ich an einer Kreuzung falsch abbog kam ich über unbefestigte Straßen
durch ein paar kleine Dörfer und bemerkte, dass jeder Schwede einen frisch gemähtem
Rasen und eine Hecke hat. Sogar an den einzeln stehenden Häusern mitten im Wald.
Hier ist die [108] so wenig befahren, dass hier Kinder mit
Motorrollern rumfahren (ohne Helm), einer
fragt mich: "nuschel..ö.å.ö..nuschel...ö.å.ö....?" Als nächstes ereilte mich
Wassermangel. Es gab zwar Geschäfte, aber wie schon gesagt:
Es gab Geschäfte, wurden aber alle dichtgemacht. Nach
langer Zeit bei Hitze und (auch innerer) Trockenheit finde ich einen Konsum, in dem
ich 4,5l Wasser kaufe. Der Sonnenbrand wird immer schlimmer, besonders an den Beinen.
Mit Wasser kann man eine Weile kühlen. Weiterhin hatte ich links extreme Knieschmerzen, bei
jedem Tritt, stundenlang. Das Zelt stand heute nördlich von Ljungby nachdem ich den ganzen
Tag auf der [E4] bzw. [E4 N] gefahren bin.
Während des Zeltaufbaus überfielen mich noch Mücken und kleine schwarze Fliegen. Aufgrung von
Erschöpfung verkroch ich mich ohne Essen in den Schlafsack.
Fr, 27.07.01
Gelegentlich quatschten mich Rennradler an, erst schwedisch, dann halb deutsch und halb
englisch. Immer, wenn ich erzählte, dass ich
ans Nordkap will, wurde ich von denen verehrt. Heute hatte ich wieder das Problem, Wasser
zu finden, an einer Tankstelle bezahlte ich dann
24 Währungseinheiten für 1,5l Wasser. Gegen Mittag fingen wieder die Knieprobleme an,
gelegentlich hörte es mal kurz auf.
Ein gutes Zeichen, gestern dachte ich noch, dass ich mglw. wegen den Schmerzen aufgeben muss.
Beim Versuch, die untere Trinkflasche
während der Fahrt aus der Halterung zu ziehen musste mein rechter Zeigefinger am Vorderreifen
Haut lassen, dafür wurde der Rest
vom Finger auf Hochglanz poliert.
Eine kleine Narbe hab ich jetzt noch. Heute sah ich die ersten (und einzigen) Elche
meiner Tour, eine Kuh und zwei Kleine. Sie latschten über die Straße, blieben stehen,
glotzten mich an und warteten ewig, bis ich den Fotoaparat
aus der Tasche gefummelt hatte. Dann rannten sie weg, weil ein LKW-Fahrer wohl eher
sein Elch-Steak auf der Straße stehen sah und voll drauf hielt.
Hoffentlich ist das Foto noch was geworden.
Das Zelt stellte ich heute ins Gebüsch, etwa Mitte Vättern-See.
Nein, nicht mitten in den See sondern links daneben!
Sa, 28.07.01
Nach einer Portion Müsli ging's 8.15 Uhr weiter. Müsli gab's auch mittags und abends. Ich
sollte wohl doch mal was gegen meine seltsamen Essgewohnheiten machen. Nördlich von
Brandstorp fand ich einen ICA und organisierte mir 4 1/2 l Wasser und... 750g Müsli.
Ich kam gut voran und suchte dann 3 Stunden nach einem Platz, um zu pausieren. Die Zeitdauer
ist dadurch zu erklären, dass mich überall große, aggressive Ameisen fressen wollten.
Die Knieschmerzen kamen heute erst 19.00 Uhr, dafür knackte das Tretlager.
Mittlerweile 4 mm Spiel am Kurbelarm. Das linke Pedal klemmte auch gelegentlich.
Problematisch, da die Technik nicht, wie ein Knie, von alleine heilt.
Nachdem ich heute viele Berge, Seen und Autos mit Paddelbooten auf den Dächern gesehen habe,
platzierte ich das Zelt auf einem abgemähten Feld. War gar nicht so einfach,
einen Platz zu finden, da überall verstreut Bauernhäuser herumstanden
(besonders an den Seen).
Strecke: [195], [194], [201], [200], [E20]:-O, [205], [237]
Das Zelt plazierte an der [237], nördlich von Karlskoga (21.30 Uhr)
So, 29.07.01
8.00 Uhr ging's nach einem "Frühstück" (Du weißt schon...) los,
es war schrecklich heiß und ich besaß nur 1/2 Liter Wasser.
Später, nördlich von Hagfors wurde die Wassermenge an einem See vergrößert.
Die Landschaft ist bergig und alle 20 Minuten sah ich ein KFZ (PL, D, NL, S).
Als ich mal kurz pausierte, wurde ich von hässlichen schwarz-grauen Fliegen angegriffen,
die hellgrüne Augen mit schwarzen Punkten haben und äußerst brutal zustechen.
Ich packte schnell mein Zeug zusammen und floh.
Die Fliegen verfolgten mich noch mehrere Kilometer.
Zwischendurch wurde die Strecke unbefestigt. Manchmal ist der Dreck schön glatt wie Asphalt
(mit tiefen Schlaglöchern), manchmal fährt man wie auf Schotter.
Ich freute mich, dass 16.00 Uhr die Hitze weniger stark wurde und ärgerte mich,
weil es 20.00 Uhr zu regnen anfing.
Ich baute schnell das Zelt zwischen mehreren großen Ameisenhäufen auf und hoffe, dass
keins von diesen Mistviechern reingekrochen ist.
Das Tretlager klang heute nach einer Ölung besser, vielleicht hält es ja doch...
Strecke: [64], [246], [71], [297]
Zelt steht, von Straße aus sichtbar, nordwestlich von Malungsfors.
Mo, 30.07.01
5.30 Uhr erwachte ich von einem Geräusch, das klang, als würde man direkt neben meinem Zelt
Bäume fällen, nach näherer Betrachtung war es aber nur ein Fahrzeug mit Mäheinrichtung,
das im Straßengraben herumratterte.
Ohne Frühstück war ich kurz darauf wieder unterwegs.
In Särna kaufte ich kurz ein und fuhr auf der [311] wieder ab in die Berge.
Kaum Verkehr, nur ein paar ausländische Kraftwagen und eventuell ein paar Bären, die
es hier angeblich gibt. Das Wetter ist hier sehr seltsam, erst scheint die Sonne, wenige Sekunden
später regnet es wie verrückt, dann scheint wieder die Sonne,...das einzige Konstante ist der
Gegenwind, obwohl der auch mal mehr und mal weniger weht.
Mein Tretlager fand das alles auch ganz lustig und teilte mir plötzlich rumpelnd mit, dass heute
ein guter Tag zum Sterben ist. Erstaunlich, wie sinnlos eine 24-Gang-Schaltung ist, wenn man
nicht mehr treten kann. Also schob ich noch viele Stunden durch einsame Gegenden mit kleinen
(verlassenen?) Dörfern, bis ich völlig geschafft nach einem 15-Stunden-Tag ein rotes Fahrzeug am
Straßenrand entdeckte. Ein paar Meter weiter befanden sich 2 Dänen, denen man ansah, dass sie
keine technischen Probleme hatten sondern sich 21.00 Uhr auf einem Gaskocher eine Mahlzeit
zubereiteten. "Do you speak English?" "Ja, wir sprechen auch Deutsch."
Naja, mit dem Deutsch, das war so 'ne Sache, reichte aber zur Verständigung. Der eine hieß
Kjelt, der andere hatte auch einen Namen, den ich aber wieder vergessen habe, weil er mich
nicht an die Olsen-Bande erinnerte.
Wir bauten nebeneinander unsere Zelte auf und wärend ich noch rechnete, wie viele Tage ich bis
zum nächsten Fahrradladen schieben muss, erklärten mir die 2 Leute, dass sie mich bis zum
nächsten größeren Ortschaft mitnehmen wollen (etwa 60 km weit weg).
Auf dem mittleren Bild taucht gerade eine Biber ab.
Di, 31.07.01
Morgens war es schrecklich kalt, dass ich nach einem Blick aus dem Zelt (die Dänen schliefen
wohl noch) wieder im Schlafsack verschwand. Kurz darauf sah ich wieder raus und sah: Nichts.
Das war darauf zurückzuführen, dass die Dänen ihr Zelt schon abgebaut hatten und dabei waren,
ihr Automobil umzuräumen, damit ein Fahrrad reinpasst.
Irgendwann saß ich dann in einem Honda Civic und ärgerte mich, dass ich hier nicht langradeln
konnte, die Landschaft war eigentlich schön...
Auch die ersten Rentierherden sah ich nur mal kurz aus dem Fenster.
In der nächsten Ortschaft, in der es auch Leute gab, kehrten wir in eine Jugendherberge ein,
wo ich gleich ein Frühstück gesponsort bekam. Die Dänen waren erstaunt, wie viel eine einzelne
Person essen kann. Der Däne mit em einfach zu vergessenden Namen erzählte, dass er vor 30
Jahren als Tramper in Deutschland unterwegs war, wo er hilfsbereite Leute traf. Von der
Freundlichkeit wollte er etwas "zurückgeben". Außerdem fährt er jedes Jahr beim
"Vättern Rundan"
mit.
Es ist übrigens ziemlich blöd, wenn alle loslachen, blos ich nicht, weil ich den Witz nicht
verstanden habe. Wenn mir dann irgendjemand die lustige Bemerkung übersetzt, bringt es auch
nichts mehr. Schließlich wurde noch herumtelefoniert, welcher Fahrradladen die passenden
Ersatzteile hat. Ich ließ mich bis Funäsdalen mitnehmen, wo mein armes Fahrrad repariert
werden konnte. Die Dänen fuhren weiter und ich operierte mit am Fahrrad.
Teilweise hebelten, hielten und zerrten 3 Leute an meinem armen Drahtesel, weil das
Tretlager nicht rauszubekommen war. Mit Hilfe eines Brenners und einer seltsamen
Schraubzwinge, die durch die Hitze kaputt ging, konnte das defekte Teil ausgebaut
werden. Nach 10 Minuten Suche fand man ein Tretlager, das gerade so passte, wenn
man den vorderen Umwerfer neu einstellt. Das dem Tretlager gegenüberliegende Teil
passte nicht, dass hier das alte wieder eingeschraubt wurde. Schließlich erinnerte
ich mich daran, dass die Pedale auch nicht mehr richtig funktionieren (eins bleibt
immer hängen) und entschied mich für Neue.
Eins hing so fest am Kurbelarm, dass die Ladenbesitzer einen Schraubenschlüssel abbrachen
und einen völlig verbogen. Um 400 Währungseinheiten ärmer fuhr ich auf der [84] in Richtung
Norwegen. Das Wetter mag mich irgendwie nicht. Es regnet sehr stark und erst völlig
durchnässt finde ich einen regengeschützten Platz. Sofort hörte der Regen auf. Die
Grenze zu Norwegen erkannte man an dem anders gefärbten Asphalt und dem 1/2 Meter
hohen Maschendrahtzaun, der sowieso kaputt war (nein, nicht der von Regina Zindler!).
Auf der [705] fuhr ich dann weiter durch bergige Gegend. Hier gab es Schafe (die ich
nicht fotografieren wollte), Rentiere (die sich nicht gern fotografieren ließen) und
Lemminge(?), die panisch im Straßenraben herumquietschten (und sich überhaupt nicht
fotografieren ließen).
Die Schafe lagen teilweise tot im Straßengraben.
Wärend sich Nebel mit Regen ablöste, fuhr ich immer weiter hoch, bis ich überall
aufgeschichtete Steinhaufen sah. Hier gab es auch Wohnmobile, in denen es sicher
trocken war und warmes Essen gab. Trotzdem war ich hoch motiviert und freute mich
auf die Abfahrt, die ich dann doch nicht mehr so toll fand, da ich durch den Fahrtwind
und die mangelnde Bewegung völlig auskühlte. Schrecklich frierend baute ich gegen 21 Uhr
das Zelt in einer Kiesgrube auf, wobei ich ständig Pausen einlegen musste, da ich vor
Kälte (und trotz Handschuhen) die Finger nicht mehr bewegen konnte. Ich glaube, ich
war in Stugudal, es hat mich eigentlich auch nicht interessiert. So nass war ich zuletzt
in den Alpen. Zur Feier des Tages stellte ich fest, dass,
wenn auf Müslipackungen so tolle Sachen stehen wie "nur 12 Gramm Verpackung",
nur Getreide mit nichts drin ist.
Mi, 01.08.01
6 Uhr packte ich frierend und mit Handschuhen bewafftet mein Zelt zusammen, um den kurz
darauf folgenden Regen zu genießen. Vermutlich hatte ich irgendwann den Wettergott ein
Arschloch genannt, den er segnete mich mit starkem (sehr, sehr starkem) Regen und
kräftigem, eisigen Gegenwind. Schon nach kurzer Zeit machte ich eine einstündige Pause
in einer Bushaltestelle, wo mich der Regen nicht fand und nur der Wind mich mit aller
Kraft vor Überhitzung bewahrte. Die Zeit nutzte ich, um das trockene "Müsli"
in mich reinzustopfen und den Strick, der früher mal in den Zeltstangen verlief, aber
irgendwann gerissten war um die ebenfalls gerissene Regenhose zu wickeln. Da ich hier
nicht mein Leben verbringen wollte, bildete ich mir ein, dass der Regen schwächer geworden
ist und stieg zitternd aufs Fahrrad. Wenige Kilometer weiter konnte ich mich kaum noch
auf dem Fahrzeug halten und schob das Fahrrad weiter die Straße entlang,
die sich gelegentlich in einen Bach verwandelte.
Ein Geldautomat gab mir 1000 Kronor mit Quittung. Glücklicherweise hörte sogar der
Regen auf, was aber durch den vielen Verkehr auf der [E6] ausgeglichen wurde.
In einem Geschäft kaufte ich Rosinen für das langweilige Müsli, 500g krumme Nudeln,
Tomatensoße in Pulverform ("Hot Tomato Saus"), 1 "Rullade med
bringebærsyltertøy" (=Kuchen)und 1 Blechnapf mit "Lapskaus",
was so eine Art Eintopf ist.
Das Zelt steht heute schon 18 Uhr auf einem (richtigem) Zeltplatz für
50 Kronor, wo Duschen extra kostet. Sogar die Sonne scheint hier. Bis zum Einschlafen
wurde heute die Regenhose fast komplett genäht (langer Riss rechts innen auf die
Gesamte Beinlänge). Heute hat sich wieder mal von 14.50 bis 15.30 Uhr mein Knie gemeldet.
Do, 02.08.01
Halb 9 erwachte ich und war erfreut, dass trotz nächtlichem Regen das Zelt trocken ist,
worauf eine Wolke erschien, die gerade groß genug war, das Zelt wieder nass zu machen.
Leicht verärgert kochte ich Müsli und bemerkte, dass die zusätzlichen Rosinen zu wenige
waren. Ich kam auf die Idee, zu probieren, wie das ganze schmeckt, wenn man Salz drüberkrümelt.
Während geistiger Umnachtung vergaß ich, den Deckel auf den Salzstreuer
zu schrauben, wodurch fast der ganze Inhalt im Essen landete. Da aber auch dieses nun
überhaupt nicht mehr genießbare Essen Geld gekostet hat, nahm ich allen Mut zusammen
und löffelte das Gelumpe rein. Mein Magen wollte das Zeug aber auch nicht und nach
einer Minute höchster Konzentration konnte ich, völlig verschwitzt, doch alles drin
behalten.
10.15 Uhr ging's weiter, immer an oder auf der [E6] entlang, auf der schrecklich viele
Fahrzeuge unterwegs waren. Irgendwann wurde sie sogar zur Kraftfahrstraße (Links
umfahren, nicht rechts!). Wenn Norweger Englisch reden, reden sie von "pence",
"highway" und "miles". Als es wieder mal bergig wurde, sah ich
Schafe, teilweise mit Glocke am Hals, herumrennen.
Das Zelt steht heute auf einem regulärem Zeltplatz bei Grong.
80 Währungseinheiten wollten die dafür!
Fr, 03.08.01
Als ich 7 Uhr aufwachte, war es wieder mal sehr kalt und ich konnte vor Schmerzen das eine
Knie nicht bewegen. Da war es doch naheliegend, weiterzuschlafen. Eine Stunde später schien
die Sonne und weiter ging's. Einige Kilometer weiter sah ich einen Zeltplatz, auf dem ich
sicherlich die Hälfte bezahlt hätte. In einem COOP kaufte ich eine Menge Nahrungsmittel,
die aber wenige Kilometer weiter schon wieder alle waren (schrumplige Brötchen kosten die
Hälfte). Halb 3 (nachmittags) fing das neue Tretlager an zu klicken, was mich besonders
erfreute. Da das Essen schon wieder alle war, kaufte ich 15 Uhr wieder ein, nahm aber kein
Mittel gegen Mücken mit, die hier schon ziemlich lästig werden. Ich wusste gar nicht, dass
es mehrere Mückenarten gibt. Die Norwegischen haben z.B. weiße Gelenke, sind sonst völlig
schwarz und können ihren Stachel nicht einklappen. Kleine, fiese, schwarze Fliegen beißen
auch während der Fahrt.
Nachdem ich vormittags nicht so richtig vorwärtskam, lief es ab 15 Uhr richtig gut.
Die Landschaft war wieder ziemlich bergig, am Fluss hoch, am nächsten Fluss wieder runter,
was sich immer wiederholt. Schöne Aussicht gab's hier nicht, links und rechts waren nur
Bäume. Das Zelt wurde in der Nähe von Trofors aufgebaut, weil ich 2 andere Radler sah.
Hier bezahlte ich 48 Kronor und bastelte noch eine Weile am Fahrrad herum, die vorderen
Bremsklötzer hätten eigentlich schon vor 5 Tagen ausgewechselt werden müssen. Die Knieprobleme
verschwanden im Laufe des Tages. Morgens humpelte ich noch über den Zeltplatz, abends war
alles in Ordnung.
Wärend gestern 2 Finger der rechten Hand taub waren, fing es heute auch links an. Fast alle
Urlauber, die ich sehe, fahren wieder nach Süden.
Sa, 04.08.01
"Ich geh' gleich mal zu den 2 anderen Radfahrern rüber.", dachte ich, als es
plötzlichfrüh um 7 war. 8.30 Uhr komme ich endlich aus dem Zelt und bin ziemlich allein
auf dem Zeltplatz, alle Anderen sind schon weitergereist.
Unterwegs kam mir ein Wanderer entgegen, pfiff irgend ein Lied und rief über die Straße:
"Nordkap?". Nachdem einige Tunnel durchquert wurden, kam ich abends nach "Mo
i Rana" und da es nicht mehr ganz hell war, sah ich, wie sich die Lichter der Stadt
im Wasser des Ranafjorden spiegelten. Nachdem die Stadt durchquert war, suchte ich nach
einem Platz für's Zelt, da es neblig war und es zu regnen anfing. Problematischerweise
ging es links von der Straße steil bergauf, rechts steil bergab in einen Fluss. Als ich
(wieder mal) völlig durchnässt war, fand ich einen Zeltplatz mit völlig versumpften Wegen,
wo ich um 70 NOK ärmer gemacht wurde. Dafür war es aber der letzte reguläre Zeltplatz, den
ich auf dieser Tour nutzte. Als ich 22 Uhr frierend im Zelt lag dachte ich plötzlich,
dass mich ein Zug überfahren will! Aber das Geräusch ließ wieder nach, die Bahn fuhr
wohl doch auf der anderen Seite des Flusses.
So, 05.08.01
Nachdem ich mir morgens mittels Gaskocher ein paar Nudeln kochte, bemerkte ich, dass
der Zeltplatz eigentlich auch einen E-Herd hatte.
Streckenmäßig ging es bergauf und bergab, wobei Letzteres später wegfiel und ich plötzlich,
in einer Gegend ohne Bäume usw. ein Touristenzentrum entdeckte, das irgendwie gar nicht
in die Landschaft passte. Davor standen eine Menge Reisebusse, aus denen warm eingepackte
Leute stiegen und in das Gebäude stürmten. Da kam ich mir mit meiner kurzen Hose etwas
komisch vor. Ich war zwar nicht in diesem seltsamen Bauwerk, aber ich kann mir denken,
was es dort gibt: Postkarten, Schlüsselanhänger und Kaffee für 20 Mark.
Lansam wurde mir bewusst, dass hier der (nördliche) Polarkreis sein musste.
Von den Bustouristen bekam jeder einen Stein ausgehändigt, den er auf einen der vielen
herumliegenden Haufen legen durfte.
Ein Bayer wollte mich unbedingt mit meinem Apparat fotografieren und sämtliche Leute fragten,
ob ich nicht friere.
Die Busse waren schon einen Tag vorher am Nordkap, ich werde wohl noch 'ne Woche brauchen.
Das heutige Problem bestand darin, dass ich den ganzen Tag dachte, dass Sonnabend ist, die
Lebensmittelgeschäfte waren aber alle geschlossen. Abends stellte ich das Zelt kurz nach
Fauske neben einem Parkplatz in einen Sumpf. Wer sich einen Schritt hinter das Zelt stellt,
versinkt. Die Mücken sind wieder mal sehr anhänglich, dass ich mit Regenhose, Jacke und Mütze
das Zelt aufstelle, was mich ganz schön ins Schwitzen bringt. Auf dem Parkplatz selbst
befanden sich deutsche Wohnwagen, in denen ein paar Schwaben ihren Urlaub verbrachten. Sie
erklärten mir, dass heute Sonntag ist, was mich aufatmen ließ, da man Montag die Geschäfte
wieder geöffnet sind. Ich fahre übrigens schon seit Deutschland um einen Wochentag versetzt
herum.
Weniger erfreulich war die Mitteilung, dass der Umtauschkurs DM : NOK nur 1 : 4 ist.
Als ich in meinem Schlafsack lag und fast schon schlief, hörte ich, wie jemand angelatscht
kam und mir warmes Essen brachte, was ich ziemlich praktisch fand. Am nächsten Morgen soll
es auch noch Frühstück geben.
Mo, 06.08.01
Es regnete die ganze Nacht, hörte aber 7.30 Uhr wieder auf. Ich zerquetschte noch ein
paar hundert Mücken zwischen Innen- und Außenzelt, bervor ich mich hinaustraute.
Als ich das Zelt halb abgebaut hatte, wurde zum Frühstück gerufen. Stell dir vor: die
können mit ihren Wohnmobilen unterwegs sogar Brot backen! Die Schwaben sagten, dass ich
ruhig noch was essen kann, aber da ich etwa 4 mal so viel verdrückt hatte wie sie, erzählte
ich, dass ich nun gesättigt wäre (was zwar längst nicht stimmte, aber egal).
Das hielt sie aber nicht davon ab, mir noch jede Menge Zeug mitzugeben.
- 2x "Käs Späzle"
- 1x Spaghetti & Tomatensoße
- 2x Brotscheiben mit leckerer Wurst
- noch mehr Wurst
- 1 Tüte Chips
Die einzige Ausrede, die sie akzeptierten war, dass ich nicht so viel Platz in meinen
Taschen hätte (ich hätte ohne Probleme das doppelte wegschleppen können).
Ich komme mir einfach zu blöd vor, wenn mir Leute was schenken.
9.00 Uhr war ich unterwegs und hielt am nächsten COOP an, um mir eine 750g-Packung Müsli
und 2 Tafeln billigste Schokolade (ca. 2 DM / Stück) zu kaufen. Es war kein besonders
großer Laden, aber hier gab es Aktivkohle, Angelhaken, Fahrradventile, säckeweise
Kornflakes,...
Tunnel machen mir irgendwie Spaß , besonders, wenn keine Autos kommen und es bergab geht,
dann rasen die Wände an mir vorbei, herrlich.
Dann waren 2 Tunnel für Radfahrer gesperrt. Eine Umleitung war ausgeschildert und hatte
sehr anstrengende Steigungen. Die Landschaft war aber schön.
Ich fuhr so schön durch die Gegend, als plötzlich die Straße aufhörte. Irgendwann kam
aber eine Fähre und 22.45 Uhr fuhr ich für 23 NOK mit einer Fähre zwischen Inseln herum,
die Bergspitzen wurden von der Sonne angestrahlt, irgendwie sah das alles komisch aus.
Während der Fahrt wurde der Himmel bewölkt, kalter Wind und leichter Regen gesellten
sich zu mir. Ich suchte ewig nach einem Platz für's Zelt und baute es gegen Mitternacht,
von der Straße aus gut sichtbar, auf, was gar nicht so einfach war, da sich ständig
Mücken in meinem Gesicht niederließen. Es waren Millionen! Um 3 Liter Blut ärmer und
mit 135 toten Mücken an den Händen wurde ich endlich fertig. Ich futterte noch die Chips
und trockenes Müsli, da ich nicht mal mehr Wasser habe.
Die Strecke war heute ziemlich anstrengend und ich dachte, dass ich garantiert nicht mehr
als 80 km geschafft hätte, aber ein Blick auf die Karte zeigte, dass es wohl doch ca
180 waren. Und das bei den Bergen!
Di, 07.08.01
8.00 Uhr erwachte ich und nach einem trockenen Müsli-Frühstück zerquetschte ich ein paar
hundert Mücken zwischen Innen- und Außenzelt und radelte bei gutem Wetter los (nachts Regen).
Ich kam ziemlich schlecht voran und kochte mir auf einem Parkplatz eine Tüte "Käs
Späzle" (ich hatte vorher an einem Wasserfall meine Wasservorräte erneuert) und
hoffte, dass dabei mein letztes Gas nicht völlig verbraucht wird. Mittags kaufte ich
1 Glas Erdbeermarmelade (950g für 18,50 NOK) und ein richtig frisches Brot. Bei Esso gab
es eine Gaskartusche für 22 NOK. 16.00 Uhr war ich in Narvik und bin 17.00 Uhr in einen
Waldweg reingefahren, weil es ziemlich stark regenete. Ich saß 2 Stunden auf meinem
Rucksack unter der 6-Mark-Baumarkt-Plane und weil ich in letzter Zeit chronischen Hunger
hatte, machte ich das Brot alle und löffelte mir gemütlich 75% der Marmelade, die übrigens
nicht schmeckt, rein.
19.00 Uhr hatte ich keine Lust mehr, zu warten und faltete die Plane zusammen,worauf es
sofort aufhörte, zu regnen. Wäre ich blos eher auf die Idee gekommen. Ich fuhr noch bis
22.00 Uhr und stellte das Zelt auf einen Waldweg. Einige Meter hinter dem Zelt liegen
ziemlich große Patronenhülsen herum. Übrigens haben viele norwegische Verkehrsschilder
Einschusslöcher. Ich fand noch einen Häring und kochte mir Müsli, wo ich die restliche
Marmelade reinrührte. Einen richtigen Tagesrhytmus hab ich kaum noch, da es eigentlich
immer hell ist. Nur die Öffnungszeiten der Geschäfte zwingen mich, nicht am Tag zu schlafen
und nachts zu fahren. 23 Uhr schlief ich ein.
Mi, 08.08.01
Nach 7 Stunden erwachte ich wieder, und konnte nicht mehr einschlafen.
Zwischen Innen- und Außenzelt gab es nur wenige Mücken (20...30 Viecher).
8 Uhr kochte ich Spaghetti, die ziemlich dunkel wurden, da das Wasser nicht gerade das
Klarste war. 9.30 Uhr war ich wieder unterwegs, es gab lange, flache Steigungen und
Gefälle. 15.15 Uhr machte ich Pause, um eine Stunde lang Mücken und kleine beißende
Fliegen zu erschlagen. Nebenbei wurden die restlichen Spaghetti gekocht. Schlimm wurde
es erst, als die brutalen Fliegen (Bremsen?) kamen, um mich zu foltern. So schnell wie
möglich verschwand ich und hängte die bösartigen Tiere erst ziemlich spät ab.
Unterwegs gab es massenhaft Steinpilze. Nach 150-160 km stellte ich das Zelt im Wald
am Storfjorden zwischen Täublingen auf und kochte die 2. Tüte Späzle.
Do, 09.08.01
Um 10 Uhr bin ich aufgewacht und beobachtete Spinnen, die zwischen Innen- und Außenzelt
an Insekten knabberten. Ich kochte Müsli und fuhr 11 Uhr los.
Unterwegs sah ich Fahrzeuge mit folgenden Nationalitäten:
- N
- NL
- I
- D
- S
- F
- FIN
- GB
- DK
- RUS
- EST
Musste doch mal gesagt werden.
Die Straße machte irgendwann einen ziemlich großen Bogen und ich konnte immer sehen, wo
ich erst in ein paar Stunden sein werde. Ich verbrachte die Zeit, indem ich die Zeit
stoppte, die die Kraftfahrzeuge auf der anderen Seite brauchten, bis sie bei mir waren.
Nach der halben Strecke kochte ich mir 15.45 Uhr eine Büchse "Spaghetti Rimini"
für 22 NOK. Dann stoppte ich die Zeit, die die KFZ, die mir entgegenkamen, brauchten, bis
sie auf der anderen Seite wieder auftauchten.
Später liefen ständig Schafe auf der Straße herum, die die Autos ignorieren und vor
Radfahrern panisch flüchten, wobei sie sich an den Leitplanken fast die Beine brechen.
Gelegentlich lag auch ein totes Schaf im Straßengraben.
Am Straßenrand waren manchmal Zelte (so 'ne Art Tipis) zu sehen, vor denen Samen ihr
Gerümpel (Geweihe, Handarbeiten, Rentierfleisch) an die vorbeifahrenden Touristen verkauften.
21 Uhr und 160 - 170 km vor Alta stellte ich das Zelt neben der Straße (hinter Gebüsch)
auf eine Weide, in der Hofnung, dass nicht morgen früh ein Bauer sein Getier hier hertreibt.
Das Wetter war abends komisch, Bodennebel, dazwischen klar und in ein paar Metern Höhe
wieder Nebel.
Fr, 10.08.01
Als ich morgens aus dem Zelt sah, ist mir aufgefallen, dass ich im Blickfeld einiger Häuser
stand, hatte ich beim gestrigen Nebel gar nicht bemerkt. 10 Uhr fuhr ich los, die
Strecke wurde ziemlich bergig. Unterwegs kaufte ich endlich Anti-Mücken-Zeug. Laut
Aufschrift duftet es, stinkt aber in Wirklichkeit. 16.30 Uhr war ich am Langfjorden
und kochte Reis mit Tomatensoße. Verkehrszeichen sind hier manchmal so zerschossen,
dass die Bedeutung unklar ist. Oft mussten auch die Begrenzungspfähle dran glauben.
Das Zelt stellte ich in einen Wald vor Alta, der früher mal militärisch genutzt wurde
und eventuell Blindgänger enthalten soll. Mit der Gefahr, eine Granate anzubohren, steckte
ich rücksichtslos die Häringe in die Erde. Da aber keiner davon wieder rausgeflogen kam,
nehme ich an, dass ich nichts getroffen habe. Das Anti-Mücken-Zeug hat die Eigenschaft,
alle Mücken im Radius von 10 km anzulocken. Die Viecher fliegen in Nase, Augen und Ohren,
stechen durch Socken und andere Kleidungsstücke und werden ständig mehr.
Merke: je mehr Mücken, desdo länger dauert der Zeltaufbau.
Eigentlich wollte ich Blaubeeren sammeln, die es hier häufig gab, aber die Mücken...
Manche haben es, trotz allen Vorsichtsmaßnahmen, bis ins Zelt geschafft.
Sa, 11.08.01
Morgens hatte ich aufgrund Sonnenschein extreme Hitze im Zelt und einen starken Pilzgeruch,
der aber darauf zurückzuführen ist, dass sich ein großer Steinpilz in einer Fahrradtasche
verhakte und so unbemerkt mit rein kam (es gibt hier wirklich viele).
Zwischen Innen- und Außenzelt war wieder mächtig was los: große Ameisen jagten die Mücken.
In Alta sah ich ein Schild: "Nordkapp 240 km".
Unterwegs traf ich 2 Radler aus der Schweiz,
die sich unterwegs trafen und gemeinsam wieder zurück fuhren. Einer von denen hatte einen
BOB Yak. Dann kam ich auf eine Art Hochebene, auf der ich noch einen Radfahrer sah. Hier
oben gab es auch noch andere Sachen, z.B. Autos, die am Straßenrand standen und Leute, die
in Gummistiefeln irgendwas in dem sumpfigen Gelände sammelten. Es gab noch mehr!
Beispielsweise Regenwolken, die durch die Gegend wanderten und nasse Streifen in der
Landschaft und 10 cm tiefe, große Pfützen auf der Straße hinterließen. PKW-Fahrer hatten
viel Spaß dabei, durch diese Pfützen zu rasen, was ich aber erst bemerkte, als neben mir
eine Wasserwand aufstieg und mich völlig nass machte. Dabei hatte ich mich schon gefreut,
dass ich immer zufällig zwischen den Regenwolken war.
Nachmittags um 3 machte ich trotz Mücken eine längere Pause, schließlich sind es nur noch
lächerliche 175 km zum Nordkap, die sich aber als ziemlich hart herausstellen sollten.
Wusste ich aber noch nicht, also war ich frohen Mutes.
20.30 Uhr stellte ich das Zelt hinter einem schecklich kalten 3km-Tunnel, etwa 95km vom
Nordkap entfernt auf. Neben dem Zelt grasten Rentiere, hoffentlich knabbern die nicht an
meinem Zelt. Essen war alle, obwohl ich heute 500g Nudeln und 750g Müsli gekauft hatte.
Geld war übrigens auch alle, eine Bank war nicht zu finden. Also sah ich mich nach
Alternativen um:
- Möwen sind zu ängstlich
- Angeln geht nicht, da Angelzeug vergessen
- Stockfisch klauen geht nicht, da die Dinger immer in bewohntem Gebiet hängen
Mist.
Kaum war das Zelt aufgebaut, fing es schon mit regnen an.
Zum Regen gesellte sich ein sehr starker Wind, dass ich mich genötigt sah, alle Häringe
zu nutzen und alle Stangen anzubinden. Der Regen ließ nach, der Wind wurde zum Sturm und
der Himmel wurde so rot, wie ich ihn noch nie gesehen hatte.
Wenn das der letzte Eintrag sein sollte, bin ich samt Zelt weggeflogen. Es ist 21.30 Uhr.
n8
So, 12.08.01
War 'ne lustige Nacht. Manchmal lag das Zeltgestänge auf meinen Füßen! Ein Wunder, dass
nichts zerbrochen ist. Gegen Mitternacht wurde der Wind etwas schwächer und ich konnnte
einschlafen. Wie ich morgens feststellte, hat ein Rentier auf eine Zeltleine und auf mein
Vorderrad geschissen.
Das is schon eine verrückte Gegend hier.
Ohne Frühstück (war ja nix mehr da) fuhr ich los. Der Wind war übrigens immer noch da. Und
wie! Eine Bö erfasste mich und ich kam rechts von der Straße ab. Dann ließ er kurz nach und
ich kippte nach links, dann nahm er wieder zu und ich kippte ganz langsam nach unten. Ich bin
wirklich sehr weich gelandet. Also schob ich. Manchmal war sogar das unmöglich, der Wind
drückte mich gegen die Leitplanke und ich musste warten, bis ich wieder weiter konnte.
Plötzlich stand ich vor einem fast 7 km langen Tunnel, was mich doch etwas überraschte,
obwohl er auf meiner Karte eingezeichnet ist. Aber wo nur eine Straße ist, sieht man nur
selten auf eine Karte.
Ich suchte die Fahrradlampen hervor (ich hab auch vorne 'ne LED-Lampe, ätsch!) und brauchte
eine Ewigkeit, sie ans Fahrrad zu basteln und noch länger, sie anzuschalten, da meine Finger
wegen dem Regen (--> Kälte) kaum beweglich waren.
Der Tunnel war parabelförmig, am Anfang mit 8% runter, am Ende mit 9% hoch und hatte Turbinen
an der Decke, die einen unglaublichen Krach machten. Fluchtwege gab's keine, wohin sollten die
auch gehen, der Tunnel geht unter'm Wasser durch. Das Wasser ging auch wo durch und zwar durch
die Decke und platschte in großen Tropfen ins Genick von einem armen Radfahrer. Unten war
übrigens wärmer als oben. Am Ende vom Tunnel durften Autofahrer übrigens bezahlen.
Später gab es noch einen 4440 m langen Tunnel. Noch später kam ich in eine Ortschaft
(Honningsvåg) Hier bekam ich Geld (700 NOK), aber nix zu essen, da
Sonntag war.
Nicht mal an der Tankstelle hatten die was, nur übermäßig teure Gaskartuschen, aber ich hatte
jetzt Geld und kaufte eine. Frierend (und mit knurrendem Magen) fuhr ich weiter.
Ich kam sehr langsam voran, immer wenn ich beim Treten die Beine nach oben bewegte, wurde das
Wasser aus der Hose gedrückt und lief runter in die Schuhe. Regenhose hätte hier auch keinen
Sinn mehr gehabt. 21 Uhr war ich endlich am Nordkap, ich durfte "for free" rein,
weil ich "from far" angeradelt kam. Die Sichtweite betrug nur wenige Meter, deshalb
fuhr ich eine Weile orientierungslos auf einem Parkplatz herum und stürzte fast einen Abhang
herunter, bevor ich einen Eingang fand, der in das Touristenzentrum führte.
Ich stellte das Fahrrad neben ein schwer beladenes Damenfahrrad und stand Sekunden später in
dem Gebäude, überall Leute mit gepflegtem Aussehen und in der Mitte ich, jeder meiner Schritte
hinterließ eine Pfütze und wo ich länger stand, entstand ein kleiner See.
Der erste Weg führte mich in die Selbstbedienungskneipe, um abends um 9 endlich mein
Frühstück einzunehmen. Aber was gab es: winzige (sehr sehr winzige) Portionen für einen
Wahnsinnspreis. Ich kaufte so ein Ding mit Plastefolie drüber und ein schokoladenüberzogenes
Gebäckstück mit Loch (sowas, was die Amis immer essen).
Hier wird übrigens allgemein englisch gesprochen. Ich sah mir die ganze Einrichtung an, wärend
ich hoffte, etwas zu trocknen. Es gibt hier auch so 'ne Art 180°-Kino, die Kameraleute haben
mit einem Hubschrauber den armen Hirten die ganze Rentierherde wieder auseinandergetrieben.
Zumindest sah ich hier, wie die Gegend aussieht, wenn die Sichtweite mehr als 10 Meter
beträgt. Hier sind ziemlich viele Italiener unterwegs, die sich über irgendwas streiten.
Irgendwann traf ich 2 Deutsche, einer hieß Heinz und war 65, sah aber aus wie 50 und der
andere war 12 Jahre jünger, hieß auch irgendwie, ich nenne ihn mal einfach "Knilch",
war ja auch einer.
Als Heinz hörte, dass ich mit dem Fahrrad hier war, bekam er einen ziemlichen Schreck
"Noch so'n Verrückter!"
Der Knilch war nämlich der mit dem Damenfahrrad (Er hatte mal ein anderes, ist aber mal
besoffen unterwegs gewesen, vom Sattel gerutscht und hat sich was eingeklemmt).
Beide hatten hier schon eine Nacht verbracht, Heinz in seinem Geländewagen, Knilch im Zelt
eingewickelt irgendwo draußen. Heinz war noch hier, weil er sich bei dem Wetter nicht zu
fahren traute und Knilch, weil er Heinz nicht alleine lassen wollte.
Nachts soll es hier oben so gestürmt haben, dass die Wohnwagenbesitzer, die hier übernachten
wollten, lieber weg fuhren, aus Angst, hier sonst umzukippen.
Irgendwan wurde das Gebäude geschlossen und wir standen draußen. Das Wetter war imer noch so
komisch: Sturm mit Nebel. Dann verschwand Heinz in seinem Fahrzeug und ich fand an einem
Holzhaus unten eine kleine Blechklappe, dahinter war 'ne Menge Platz, also hab ich die
6-Mark-Baumarkt-Plane auf dem lehmartigen Boden ausgebreitet und habe hier mit dem Knilch
übernachtet. Oben, also im Haus liefen noch eine ganze Weile Leute herum. Ich konnte erst
ziemlich spät einschlafen, schließlich war noch alles nass.
Mo, 13.08.01
Kaum war ich richtig eingeschlafen, flog 9 Uhr mit viel Krach die Blechklappe auf und
ein eisiger Wind sorgte für Frischluft. Von draußen rief jemand rein: "Aufstehen,
ihr Knechte!"
Und dann hörte ich noch irgendwas von "Frühstück", was ich aber für einen
Hörfehler hielt, bis der Knilch neben mir fragte: "Hast du da auch was von 'Frühstück'
gehört?". Nur mit viel Mühe schaffte ich es, aufzustehen. Draußen sah es genauso aus wie
gestern. Im Windschatten von dem Gebäude stand wirklich Heinz und hatte seinen großen Gaskocher
angeworfen. Es gab erst Spaghetti mit Schweinebraten, dann Spaghetti mit selbstgemachter
Tomatensoße (das war ein komisches Zeug, schmeckte aber), dann Kaffee.
Unter dem Kocher war es warm, dass wir unsere Hände wärmen konnten. Ich legte noch meine
Handschuhe drunter, die sofort anfingen, zu qualmen (Wasserdampf), dann qualmten sie irgenwann
nicht mehr, und dann fing es wieder an, weil ein Handschuh anfing, sich in Rauch aufzulösen.
Ständig kamen die lustigsten Typen vorbei, meist Italiener und fragten immer, wo denn das
Touristenzentrum ist. Obwohl der gesamte italienische Vokabelschatz von uns Dreien nur aus
"Spaghetti" bestand, hatten wir viel Spaß.
Heinz ging etwa 5 Schritte in den Nebel und war fast verschwunden, was er dazu nutzte, in die
Landschaft zu pinkeln, hat ja keiner gesehen. Von dem Essen wurde mir seit Tagen endlich wieder
richtig warm, was den restlichen Tag anhielt, ich hatte auch noch in einer meiner Taschen eine
trockene, lange Unterhose gefunden, was die Freude noch vergrößerte.
12 Uhr wurde das Touristenzentrum wieder geöffnet und meine Kleidung ist vollständig getrocknet.
Die Windgeschwindigkeit betrug nur noch 9 m/s und es war 7°C warm.
15 Uhr verabschiedete sich Heinz, er wollte einem Reisebus hinterherfahren.
Kurze Zeit später fuhren wir (Knilch und ich) ebenfalls los. Knilch war unglaublich
langsam unterwegs, nach jeder Abfahrt musste ich ewig warten, worauf einmal ein PKW anhielt und
die Insassen (ich glaube, es waren Russen) fragten, ob ich Probleme hätte.
Nach einiger Zeit waren wir in Honningsvag und kauften im lokalen Geschäft ein. Hier unten war
übrigens kein Nebel, der hing einige Meter über uns. Knilch musste mir noch zeigen, dass er 1
Liter Saft auf einmal trinken kann, worauf er sich alle paar Minuten an den Straßenrand stellen
musste, um das viele Wasser wieder loszuwerden.
Ständig redet er von "Kühe mit den großen Hörnern"(Rentiere), die hier überall
herumlaufen, "Heinz ist Fleischer, der kann uns die schlachten", ...,
das ist ein Kunde!
Kurz vor dem 7 km langen Tunnel ließen wir uns an einem WC mit Bänken davor nieder.
Hier war einigermaßen überdacht und wir machten uns was zu Essen.
Knilch wollte unter dem mickrigen Dach übernachten, ich zog es vor, wegen dem
leichten Regen und dem kalten Wind, die Behindertentoilette für diesen Zweck zu
verwenden. Hier gab es viel Platz, warmes Wasser und eine einstellbare Heizung.
Ich wusch noch einige Klamotten und legte mich in den Schlafsack.
Plötzlich klopfte es an der Tür und der Knilch wollte mit rein, da er eingesehen hat, dass es
draußen zu nass ist (er war schon völlig durchgeweicht).
Kurz vor'm Einschlafen erzählte er noch sinnvolle Sachen wie: "Wenn jetzt Weiber
reinkommen würden...Dann müssten wir heute noch arbeiten! Hast du gehört? Dann müssten wir heute
noch arbeiten, Hahaha!"
Di, 14.08.01
Der Morgen begann, wie der letzte Tag aufhörte: mit dummen Gequatsche.
Erfreulicherweise war der Schlafsack fast vollständig getrocknet.
Es stellte sich heraus, dass Knilch eine ziemliche Angst vor Putzfrauen hat,
ihn hat mal eine zusammengeschissen, weil er auf einer Toilette übernachtet hat.
Da ich hier nicht den restlichen Tag verbringen wollte, radelte ich weiter, Knilch ließ den Tag
seeehr ruhig angehen. Er wollte noch bis Oslo fahren und dann eventuell nach Schottland. Ich
fuhr weiter in Richtung Finnland.
Ich soll übrigens auf mich aufpassen und mir nichts klauen lassen, das hab ich vom Knilch
vermutlich 130 mal gehört, seit ich ihm erzählt habe, dass ich durch die baltischen Staaten
radeln will (er selbst war noch nicht dort).
Unten in dem langen Tunnel entschloss sich ein entgegenkommender LKW-Fahrer, mich mit seiner
schön lauten Fanfare zu grüßen, ich bin fast vom Sattel gefallen.
Erstaunlich, wie der Tunnel die Hupe zur Geltung bringt.
Ich habe übrigens in den letzten Tagen kein einziges Foto gemacht, bei dem Wetter hatte
ich einfach keine Lust dazu. Niemand, den ich kenne, versteht, dass ich nicht mal
am Nordkap wenigstens ein "Beweisfoto" gemacht habe.
Der Regen wurde wärmer, der Wind ließ nach und man konnte schon wieder mehrere Kilometer
weit sehen. Im Straßengraben lagen viele interessante Sachen herum.
Unter anderem ein sehr zames Rentier, aber das lag wohl daran, dass es schon lange tot war.
Aber auch ein reflektierender gelber Streifen, der jetzt noch (Juli 2002) an meinem Fahrrad
hängt oder Reste von Schalentieren, die vermutlich von Vögeln hier hergeschleppt wurden. Wer
Rentierknochen und -Schädel braucht: hier liegen genug rum.
Ich konnte auch beobachten, wie eine kleine Möwe von großen schwarzen Vögeln gejagt wurde, es
gab spektakuläre Flugmanöver. Die Möwe entkam nach einer Weile, dabei hätte ich gern gesehen,
was die größeren Vögel machen, wenn sie die Möwe einmal haben.
In Olderfjord ging ich in ein Geschäft, um mir Lebensmittel zu kaufen, aber an der Kasse hatte
ich ein Problem: ich war nicht in der Lage, Geld aus dem Portemonaie zu nehmen, da meine Finger
nicht wollten. Ein komisches Gefühl, wenn die Finger überhaupt nicht gehorchen. Schließlich
durfte sich die Kassiererin selbst bedienen.
Dannach hatte ich auch große Probleme, die Handschuhe wieder anzuziehen. Mit den Zähnen zog ich,
aber ich konnte die Finger nicht einfädeln, sie knickten immer weg.
Also ließ ich sie weg. Unterwegs versuchte ich etwas Fingertraining, aber es besserte sich auch
nach einer Stunde nichts. Ich bekam nicht mal Daumen und Zeigefinger zusammen. Es änderte sich
erst, als es wärmer wurde, dann freute ich mich über jeden Millimeter.
19 Uhr, ca. 30 km vor Lakselv fand ich einen tollen Schlafplatz mit schon vorhandener Feuerstelle
und toller Aussicht über das relativ weit unter mir liegende Wasser. Ich sah einige
Düsenflugzeuge, die wohl gerade versuchten, Hot Shots nachzuspielen.
Ich zündete herumliegendes nasses Holz an (es brannte sogar relativ gut), machte mit Dosensuppe
warm und verzichtete aufs Zelt, da das Wetter immer besser wurde und legte den Schlafsack neben
das Feuerchen. Am Nordkap war jetzt bestimmt Sonnenschein.
Mi, 15.08.01
Nachts fing es an, zu regnen, was mich aber nicht weiter störte, ich zog mir einfach meine
6-Mark-Baumarkt-Plane über den Kopf und gut war.
Als ich 9 Uhr erwachte, glotzte mir ein Schaf blöd ins Gesicht,
rund um mich herum standen noch
etwa 10 von denen. Als ich mich bewegte, liefen sie weg.
Nach einer Stunde war ich wieder unterwegs und fuhr durch bergige Gegend, später wurde es
immer flacher und ich kam an die finnische Grenze. Auch hier war niemand zu sehen, der mich
kontrollieren wollte. Also radelte ich über die kleine Brücke, wofür ich mehr als eine Stunde
brauchte, die mir aber vorkam wie wenige Sekunden.
Dieses Phänomän war darauf zurückzuführen, dass die Finnen uns (zumindest uhrzeitmäßig) eine
Stunde voraus sind. Daran dachte ich aber im Moment gar nicht und stellte meine Uhr erst ein
paar Tage später um.
Kurz nach der Brücke folgte der schlimmste Anstieg der gesamten Tour, da die Finnen die Straßen
scheinbar mit einem Lineal auf der Landkarte planen und Berge ignorieren.
Die Straße war irgendwann links und rechts eingezäunt aber ich fand auf der rechten Seite eine
Stelle, an der vermutlich öfters mal jenand unter dem Zaun durchkriecht.
Also kroch ich auch durch und zerrte das Fahrrad hinterher.
Feuerstelle war vorhanden, einige Meter weiter war ein ziemlich kalter See.
Bin so gegen Mitternacht eingeschlafen.
Do, 16.08.01
Ich erwachte um 4 Uhr und nutzte den frühen Morgen, um ein Brot und die letzte Wurst alle zu
machen. Dann legte ich mich wieder in den Schlafsack, worauf mein Gesicht von Mücken besiedelt
wurde.
Ich schmierte mich kräftig mit Mückentötolin ein (ich weiß, eigentlich muss man die Mücke fangen
und ihr das Zeug spritzen :-) und schlief weiter.
9 Uhr bin ich dann auferstanden und ging erst mal Baden.
Zumindest teilweise, weil das Wasser schrecklich kalt war.
Wärend ich so entblößt am Wasser stand, bekam ich weiblichen Besuch!
Uschi uns Susi, die mir zeigten, was man mit so einem Stachel alles machen kann.
Scheiß Mücken!!!!!
Der Billigstkocher ließ sich heute viel Zeit, wodurch ich die vielen fetten Spinnen auf
und neben dem Schlafsack beobachten konnte. Ziemlich plötzlich fingen überall Vögel an,
zu zwitschern.
Irgenwann fuhr ich los und bemerkte, dass der schon 70 km vorher ausgeschilderte Ort (Kaamanen)
nur aus ein paar verstreuten Häusern besteht.
Zwischendurch gab es alle paar Kilometer eine alte Holzhütte, Sumpf und Bäume.
Inari war fast schon eine Stadt, hier gab es sogar eine Bank, auf der man Geld tauschen konnte.
Allerdings nur zwischen 10 und 14 Uhr.
Also nutzte ich den Geldautomaten, der mir 5 billig aussehende Hunderter überreichte.
Im lokalen Supermarkt liefen sehr interessante Leute rum, vermutlich liefen sie direkt nach
dem Einkauf nach Hause in den tiefen Wald, wo sie herkamen.
Ich bin hier sicherlich aufgefallen, weil ich der Einzige in der Stadt war, der keine
Gummistiefel anhatte. Nach Inari fuhr ich auf der [955] weiter, in der Hoffnung, relativ
ungestört durch die Natur zu radeln.
Sehr verwundert war ich anfangs über die Verkehrsschilder, die hier mitten im Wald oder im
Sumpf stehen. Sie sind wohl für Motorschlitten gedacht.
Im Sommer fährt man hier lieber mit dem Quad durch die Wildnis, sogar mit Hänger.
Ich brauch auch so 'n Ding! Hast du eins zu verschenken?
18 Uhr hatte ich keine Lust mehr und setzte mich an einen See mit großem Sandstrand.
Praktischerweise war ich hier ganz allein.
Wegen den Blutsaugern entschloss ich mich, langsam das Zelt aufzubauen.
Plötzlich einsetzender, sehr starker Regen überzeugte mich, das Zelt schnell aufzubauen.
Mein kleines Feuerchen ging aus und ich lernte, dass wasserdichte Packtschen wenig Sinn
haben, wenn man vergisst, sie zu schließen.
Als alles nass war, hörte der Regen auf und ich genoss den Ausblick über den See.
Fr, 17.08.01
Es regnete vermutlich die ganze Nacht und pünktlich 7 Uhr piepte der Wecker,
den ich mir abends stellte. Ich kam trotzdem erst 8 Uhr aus dem Schlafsack.
Draußen regnete es, alles war bewölkt und ich ließ mir viel Zeit, in der Hoffnung,
dass der Regen aufhört.
Es regnete weiter und ich packte mein Zeug zusammen, um 10.30 Uhr loszufahren.
Unterwegs traf ich 2 Mädels zwischen 15 und 16 Jahren, die sich eine
(Baumarkt?-)Plane zwischen ihre Fahrräder gespannt hatten und irgendwas kochten.
Sie waren unterwegs nach Norden und sprachen ziemlich gut Englisch.
Nationalität unbekannt.
Später kamen mir noch zwei männliche Radler entgegen.
Nationalität unbekannt.
Nach Pokka (hier haben die Mädels übernachtet) fuhr ich irgendwie falsch, ich wollte
eigentlich nach Kittilä, fuhr aber in Richtung Köngäs, was dazu führte, dass ich auf
einem Schlammweg weiterfuhr.
Manchmal musste ich mich ziemlich anstrengen, um nicht steckenzubleiben.
Die einzige Abwechslung (neben den 2 Autos, die pro Stunde vorbeikamen) war ein Zaun,
der links und rechts von der Straße wegführte. Am Straßenrand, direkt am Zaun stand ein
an der Seite aufgeschnittenes blaues Plastefass. In dem Fass stand eine Autobatterie,
ein Autoradio und ein Lautsprecher.
Die einsame Gegend wurde hier mit verrauschten Nachrichten beschallt!
Vermutlich soll diese Konstruktion verhindern, dass Rentiere das eingezäunte Gelände
über die Straße verlassen.
Oder die Finnen sind hier völlig durchgedreht.
Gegen 20 Uhr hörte endlich der teilweise extrem starke Regen auf, trotzdem war alles
nass und schlammig.
1/4 Stunde vor Ladenschluss fand ich 20.45 Uhr noch ein winziges Geschäft mit ziemlich
leeren Regalen. Der Verkäufer war ziemlich überrascht, dass noch jemand kam, er wollte
heute vermutlich eher Feierabend machen.
Ein Blich auf das Fahrrad verriet mir, dass ich im Laufe des Tages kiloweise Schlamm
aufgesammelt habe.
22 Uhr fand ich einen Platz für's Zelt, der die Eigenschaft hatte, tausende hungrige
Mücken zu bieten.
Nur Gesicht und Hände waren unbekleidet und wurden mit dem Mückenzeug euingeschmiert.
Zusätzlich war wärend des Zeltaufbaus ständig in Bewegung, dass sie sich nicht alle auf mir
niederlassen.
Naturgemäß dauerte der Zeltaufbau heute wieder sehr lange.
Ich fand heraus, dass ich überhaupt keine trockene Kleidung mehr hatte.
Mit viel Kraftaufwand zog ich die Jeans aus, ließ aber die lange Unterhose an, in der
Hoffnung, dass sie über Nacht einigermaßen trocknet.
Ich versuchte, über dem Kocher die Hose zu trocknen, was mir aber nur Wasserdampf im Zelt
und eine leere Gaspatrone einbrachte.
Voll Schlamm und Wasser schlief ich ein.
Sa, 18.08.01
Die Nacht war ziemlich stürmisch, was mich aber nicht störte, da ich windgeschützt stand.
Ich erwachte 9 Uhr und freute mich, dass die Klamotten, die ich noch anhatte, über Nacht
fast völlig getrocknet sind.
Der Rest war aber noch nass (und kalt) und wurde angezogen, was einige Überwindung kostete.
Morgens fing der Regen wieder an und die Mücken von gestern warteten zwischen Innen-
und Außenzelt, dass ich endlich rauskam.
Ich baute das Zelt ab und fuhr los. Der Regen ist hier übrigens wärmer als am Nordkap, 10°C
zeigte ein Thermometer an, dass gegen 13 Uhr gesichtet wurde. Eine Stunde später hörte der
Regen langsam auf, dafür gab es teilweise starken Wind. Die Landschaft war ziemlich
langweilig. Links Wald, rechts Wald, vorn Straße, hinten Straße. Zumindest gab es Kurven
und kleine Dörfer.
Manche Parkplätze an der Straße haben sogar einen Grill und Brennmaterial. Gefällt mir aber
nicht, da die Plätze direkt an der Straße liegen.
30 km vor Rovaniemi machte ich Schluss, das Wetter war ideal, um auf das Zelt zu verzichten,
ich baute es trotzdem auf, da es trocknen sollte.
Ich schüttete noch 30% des Essens aus dem Topf in meine Schuhe, als der Kocher umfiel und
beobachtete, als ich im nassen Schlafsack lag, wie eine Eidechse über das Zelt latschte.
Sah komisch aus von unten. Wie das Tier hochgekommen ist, weiß ich nicht. Runter ist es
jedenfalls irgendwann gerutscht.
So, 19.08.01
Dass morgens 8 Uhr das Zelt und das zum Trocknen aufgehängte Zeug nass war führte ich
darauf zurück, dass es nachts geregnet hat.
Ich plante noch grob die Strecke für die nächste Woche und fuhr 10.15 Uhr los.
In Rovaniemi wechselte ich die Flussseite (wieder ein neues Wort mit 3 's') und fuhr
an der linken Seite weiter in Richtung Kemi.
14 Uhr machte ich unter knisternden Stromleitungen Pause. Bei welcher Spannung brauchen die
Isolatoren eigentlich 20 Glasscheiben hintereinander?
An dem ziemlich breiten Fluss radelte ich den ganzen Tag nach Süden durch langweilige Gegend,
die ziemlich dicht besiedelt ist. Dafür kommt man ganz gut voran.
Wieder mal hatte ich das Problem, Wasser zu finden. Einem Bach entnahm ich dann 1,5 Liter mit
lustigen kleinen Tierchen (Wasserflöhe) drin. Abends wurden sie mit Nudeln gekocht.
Hier fahren übrigens PKW (Moskwitch) und Traktoren Sowjetischer Herkunft herum.
In manchen 'Mossis' sitzen sogar Russen drin, überholen, halten an, fahren rückwärts mit hoher
Geschwindigleit zurück, wobei der Fahrzeugführer scheinbar Probleme hat, die Kontrolle über
seinen Kraftwagen zu behalten, halten an, überholen wieder und fahren auf einem Feldweg weiter.
Komisches Volk. Es gibt hier auch ein paar Deutsche und viele Finnen.
Schluss machte ich schon um 18 Uhr, da ich schon 23 km vor Kemi war. Größere Städte will ich
immer vormittags hinter mich bringen. Hier ist es gar nicht so einfach, einen Platz für's Zelt
zu finden, weil hier überall Häuser stehen. Abens war die Gaspatrone warm, was dazu führte, dass
der Kocher besser kochte. Ich muss mal was erfinden, dass sich der Kocher beim Kochen selbst mit
erhitzt. Wenn man ein Feuerzeug an die Patrone hält, funktioniert der Kocher auch besser.
Abends sah ich auf der Karte, dass ich frühs den Polarkreis überquert habe. Die Finnen machen da
nicht so ein Theater wie die Norweger.
Gegen 22 Uhr eingepennt.
Mo, 20.08.01
Nach einer kalten aber regenfreien Nacht folgte ein Morgen mit Sonnenschein. Die Sonne
weigerte sich aber, auf mein Zelt zu scheinen. Das Frühstück bestand aus wenig Müsli, das mit
viel Wasser gekocht wurde, wodurch eine art Müslisoße entstand. 10 Uhr fuhr ich los, 11 Uhr
war ich in Kemi und erfuhr, dass der Eisbrecher, wegen dem ich überhaupt in dieser Gegend
war, in Ajos herumschwimmt. War aber nicht weit. Der Eisbrecher heißt übrigens Sampo und ist
das Schwesterschiff vom Eisbrecher Hanse, der aber jetzt irgendwo in Griechenland unterwegs ist.
Aber nicht, um das griechische Packeis zu zerbrechen sondern um als Hospitalschiff herumzukurven.
Warum ich mich überhaupt dafür interessiere?
Ich baue nebenbei noch ein Modell des Eisbrechers Hanse, komme aber aus Zeitmangel in letzter
Zeit nicht mehr weiter.
Ich stiefelte auf dem Kahn herum, der als Kneipe genutzt wird und machte ca. 30 Bilder.
Die Strecke bis Oulu war schrecklich langweilig, weshalb ich nur versuchte, schnell
weiterzukommen. Zwischendurch holte ich an einem Friedhof 6 l Wasser und ging öfters mal
einkaufen:
- 3 Brote (2 unterwegs und 1 abends gefuttert)
- 300 g Wurstscheiben (abends mit letztem Brot verspeist)
- 2 Würste (500 g), waren abends noch da
- 1 Blätterteigding mit Pudding und Marmelade (war gleich weg)
- 2 x 400 g Makaroni (1 abends fast alle)
- 250g Knorr-Nudeln (gab's nächsten Morgen)
- 2 x 200 g Kekse (1 unterwegs vernichtet)
- 1 kg Müsli
- 1,650 kg Weintrauben (abends fast alle)
- 1l Milch
Durch das Gewicht wurde das Fahrrad ziemlich träge und ich war abends richtig satt.
Wo war ich jetzt?..Ach ja, Oulu!
Rein in die Stadt kam ich ziemlich schnell obwohl die Straße für Radler gesperrt
und der Radweg wenig komfortabel ist.
Rauszukommen ist eine andere Sache, es war ähnlich schwierig wie in Schweden.
Das Zelt platzierte ich 20 Uhr zwischen der [22] und den Bahnschienen
(stündlich kommt ein Zug.)
Di, 21.08.01
Des Nachts erwachte ich gelegentlich aufgrund eines vorbeifahrenden Zuges, 8 Uhr
kroch ich aus dem Zelt und sah, dass im Norden der Himmel wunderschön blau ist, im
Süden dagegen, weil ich da hin will: dichte Wolken.
Die Liebe der Finnen zu doppelten Buchstaben geht so weit, dass eine Ortschaft sogar
Ii heißt. Außerdem sind die Finnen echte Sportfanatiker, abends sind die Straßen voll
mit Rennradlern, Rollschuhfahrern und Skifahrern (mit Rollen).
Jedenfalls radelte ich 9.45 Uhr los nach Muhos und bog links nach Kestilä ab. Die Strecke
war wieder mal ziemlich langweilig, es ging fast nur geradeaus und am Straßenrand gab es
nur Wald und Bauernhöfe.
In Kestilä kaufte ich mal wieder einige Nahrungsmittel, unter anderem 1 Liter Milch mit dieser
lustigen Kuh.
Finnische Kühe dürfen übrigens, im Gegensatz zu den Deutschen (Kühen) ihre Hörner behalten.
17.00 Uhr wurde ich nass, da Wasser vom Himmel herniederfiel.
Dann fuhr ich nach Pyhäntä, was ich auf der Karte erst nicht gefunden habe, da es dort falsch
geschrieben wurde. 30 km vor Iisalmi, nach 3 vergangenen und einem einsetztenden Regenguss
baute ich das Zelt auf, um darin zu nächtigen. Die Mücken waren sehr erfreut, nach
vermutlich seeeehr langer Zeit mal wieder ein Opfer gefunden zu haben.
Dass die Zeltaufbaudauer direkt proportional zur Mückenanzahl steht, ist bekannt, diesmal
war es aber besonders schlimm, da ich meine Finger vor Kälte mal wieder nicht bewegen
konnte.
Daraus folgt: t(zelt) = C1*Mückenanzahl + C2/Temperatur + to
Wobei to die Zeit ist, die man bei optimalen Bedingungen braucht.
es gilt immer: t(zelt) >> to
Durchnässt schlief ich ein.
Mi, 22.08.01
Nachdem ich nach einer verregneten Nacht morgens 6.30 Uhr erwachte sah ich, dass
im Norden blauer Himmel war, im Süden dagegen (wo ich hin will) finstere Regenwolken.
Nachts waren irgendwelche Tiere im Vorzelt unterwegs, keine Ahnung, was das war.
Bei Iisalmi merkte ich, wie schlecht meine 14,90 DM-Landkarte war, es gab in Wirklichkeit
viel mehr Straßen (mehr oder weniger asphalitert), als auf der Karte verzeichnet.
Das Hauptproblem war, dass ich als Radfahrer auf der [E63] nicht fahren durfte.
Nach einem großen Umweg auf sehr bergiger Schotterstrecke kam ich nach Siilinjärvi,
wo ich einen Fahrradwegweiser nach Iisalmi sah. Auf der ausgewiesenen Strecke hätte
ich vermutlich nur die halbe Zeit gebraucht. Ganz nebenbei fasste ich den Entschluss,
zu Hause die blöde Landkarte mit viel Freude zu verbrennen.
Den Entschluss fasste ich übrigens jeden Tag, an dem ich in Finnland war.
Der Erfolg war eher mäßig, denn über 1 Jahr nach Tourende ist die Karte immer noch da.
Nachdem ich mühevoll Siilinjärvi meisterte kam ich nach Kuopio, wo ich eine unfreiwillige,
stundenlange Stadtrundfahrt machte, weil ich den Ausgang der Stadt nicht fand. Die
Hauptstraße, die mich direkt rausgefüht hätte, war wieder mal für Radfahrer gesperrt.
Aber so lernte ich Gegenden kennen, in denen ich mich mit einem großen Messer sicherer
gefühlt hätte, um am Ende wieder dort rauszukommen, wo ich schon mal war...
Doch ich schaffte es und kurz nach Hiltulanlahti (über den Namen könnte ich mich schlapplachen!)
baute ich halbtot das Zelt auf.
Hab dann noch was gegessen und bin dann mit Bauchschmerzen (nicht vom Essen!) eingeschlafen
mit dem Gedanken: "Morgen früh ist alles besser".
Do, 23.08.01
Frühs kam der Morgen und es gab Maito+Brot+Wurst.
9.20 Uhr fuhr ich los durch hüglige Gegend mit wenig Sumpf. Da das H2O knapp
wurde (immer noch die braune Brühe vom letzten Friedhof), sah ich nach einem Wasserhahn um.
An einem Parkplatz, viele Kilometer später, sah ich eine Wasserpumpe für Handbetrieb, die
aber auch kein Wasser hatte.
Juva war die einzige Stadt, die noch vor Mikkeli kam und ich fuhr einen kleinen Umweg,
um eine Kirche zu entdecken, eben der ein Friedhof samt Wasserhähnen angelegt wurde.
So sauberes Wasser hab ich zuletzt am Nordkap gesehen und ich nahm 5 Liter davon mit.
In einem Geschäft um die Ecke kaufte ich u.A. ein Glas Marmelade mit dem kleinsten Kilopreis.
750g Lettuhillo (= Erdbeermarmelade mit Apfelmus).
Schmeckt ganz gut. 29 km vor Mikkeli wollte ich das Zelt zwischen 2 ziemlich großen
Ameisenhaufen aufstellen, was ich jedoch unterließ, weil ich plötzlich von geflügelten
Viechern angegriffen wurde. Sie waren so groß wie Fliegen, sahen aber eher aus wie Skorpione
ohne Stachel und krochen an meiner Kleidung hoch. Es war unmöglich, sie abzustreifen, sie
mussten mit viel Mühe abgesammelt werden.
Viele der Tierchen flogen mich direkt an, andere landeten auf dem Boden und krochen an den
Schuhen hoch.
So schnell wie möglich ergriff ich die Flucht und stellte das Zelt einige Kilometer weiter
an das Ende eines ca. 50 m langen Weges. Hier gab es keine Ameisen, keine Mistviecher (die von
vorhin) und nur wenige Mücken. Dafür aber jede Menge Spinnen, die überall auf dem Boden
herumrannten. Die waren mir aber völlig wurscht.
Den ganzen Tag schien übrigens die Sonne, die Luft war aber ziemlich kühl.
Deshalb kam ich nur ein mal ins Schwitzen, als mich ein LKW mit der Leitplanke verkuppeln
wollte.
Noch was: Kommt eigentlich der Langlaufweltmeister aus Finnland?
Fr, 24.08.01
9.50 fuhr ich los und kaufte in Mikkeli in einem Einkaufszentrum vier 24er Filme für je 9.90
und einen Fahrradcomputer für 70 FIM
Gemütlich fuhr ich auf der [15] weiter. Als ich ein paar voll behangene Johannisbeersträucher
entdeckte, die wohl niemandem gehören, hielt ich an und nahm fast alle Früchte mit.
Es folgte eine Pause an einem See, woch ich die Johannisbeeren säuberte und mir den neuen
Fahrradcomputer anbaute.
Die neue Halterung war zu ca. 99,987% mit der alten kompatibel, aber wegen 0,013% Unterschied
durfte ich alles zu 100% neu machen. In der komplett finnischen Anleitung entdeckte ich eine
Tabelle, in der stand, welchen Wert man für welche Reifengröße einstellen muss.
Mein Reifen war übrigens nicht dabei.
18.00 Uhr fand ich kurz vor Valkeala einen günstigen Platz an einem See.
In dem See gab's Fische, nach einem halbstündigen Kampf hatte ich ein gewaltiges
Exemplar mit der Hand gefangen. Der Aufwand hat sich aber nicht gelohnt, da an einem 4 cm
langen Fisch nicht viel dran ist.
Kaum lag ich nach einem Bad im Schlafsack, lernte ich auch die restliche Tierwelt kennen.
Beispielsweise geflügelte Ameisen, die gerade ausschwärmten, Mücken, die mich besuchten,
Mäuse, die einen Meter neben mit durch das Gebüsch rannten, Fledermäuse, die über das
Wasser flatterten,...
Nebenbei kamen ein paar Fische (wieder so kleine) fast an Land, weil sie die Brotkrümel
wollten, die ich ihnen ins Wasser warf.
Sa, 25.08.01
Kurz nach 9.00 Uhr fuhr ich los nach Kouvola und fuhr kreuz und quer durch die Stadt,
um ein Lebensmittelgeschäft zu finden, damit ich die nächsten 2 Tage nicht hungern muss.
Nach einem Blick auf einen der herumhängenden Stadtpläne gelang mir das auch.
Dann gab es wieder das alte Problem mit der veralteten Landkarte und den für Radfahrer
gesperrten Straßen.
Nach einem unfreiwilligen Umweg über Kuusankoski, wo jemand im Straßengraben seinen
Rausch ausschlief, konnte ich auf der [6] wie geplant weiterfahren.
Ich fuhr übrigens meist 22 km/h, längere Zeit auch 30 km/h, weniger lange 40 km/h und
ganz kurz mal 56,2 km/h weil es bergab ging.
Zwischendurch schüttete ich die Johannisbeeren mit vorher gekauftem Zucker in das
inzwischen leere Marmeladenglas.
Ich machte noch einen 19 km langen Umweg um Wasser zu organisieren und bemerkte, dass die
Straße, die auf meiner Karte [E18] heißt, in Wirklichkeit eine 3stellige Nummer hat.
Die [E18] wurde inzwischen neu gebaut und läuft ungefähr parallel.
Es ist übrigens sehr schwierig, Wasser in eine Flasche zu füllen, wenn der Wasserhahn
das Wasser wie eine Sprinkleranlage verteilt.
Ich suchte dann nach einem Schlafplatz am Wasser, was ich aber nach langer Zeit aufgab.
Also fuhr ich in einen Waldweg rein, wo aber alle paar Sekunden eins dieser bösartigen Tiere
(Horrorfliegen) auf mir landete. Ich entfloh und beim nächsten Versuch war es andersrum:
Alle paar Tierchen ging eine Sekunde vorbei!
Es waren so viele, dass ich sie noch Tage später aus den Haaren sammeln musste.
Die Wesen hatten am Kopf einen sehr kurzen Stachel.
Am Ende stand mein Zelt nach weiteren Versuchen auf einem Waldweg, der durch eine Schranke von
der Straße getrennt ist, irgendwo zwischen Gammelby und Isnäs an der [153].
Hier gab es unglaublich viele Flug- und Krabbeltiere.Eichhörnchen flitzten auf den Bäumen
herum und schmissen Zweige und Eicheln auf mein Zelt.
In der Gegend ist übrigens alles zweisprachig ausgeschildert.
So, 26.08.01
Ich erwachte 7.00 Uhr und baute unter Luftangriffen (Mücken) das trockene (!!!) Zelt ab
und fuhr 9.00 Uhr los.
Ich kurvte sinnlos durch die Dörfer, dann aber doch entgegen vorherigen Plänen heute schon
nach Helsinki.
Übrigens:
K = ?
KK = Market
KKK = Supermarket
KKKK = Citymarket
und letzterer hatte heute (Sonntag) offen, was ich dazu nutzte, um 4 Birnen zu kaufen.
Viele Leute verwendeten das Wechselgeld, um es in einen der vielen herumstehenden
Spielautomaten zu stecken.
Trotz häufigem Verbot für Radfahrer kam ich ins Zentrum und entdeckte gleich
6 Eisbrecher auf einmal!
Unter anderm die 2 bekannten "OTSO" und "KONTIO".
Ich brachte einige Zeit damit zu, herauszufinden, welche der Fähren die billigste ist.
Nebenbei findet man zwanglsäufig Stadtpläne von Helsinki.
Ich landete bei "Nordic Jet Line", wo ich am nächsten Tag um 15.00 Uhr als
Student 78 FIM zu zahlen habe. Fahrrad kostet 25 FIM.
Zu anderen Zeiten bzw. bei anderen Reedern darf man das Doppelte und mehr bezahlen.
Im Stadtpark von Helsinki gab es eine Hundeschau, bei der mickrige Hunde in winzigen
Käfigen mit riesigen Pokalen drauf zu sehen waren.
17.30 Uhr verschwanden die Hunde und ihre Besitzer.
Man sah genau, wessen Tierchen heute einen Preis bekam. Ich verstand zwar kein Wort aber
für mich hörten sich die Gespräche so: "Der Punktrichter wurde bestimmt
bestochen! In Wirklichkeit ist nämlich mein Waldi am Schönsten!"
bzw. so: "Ich wusste doch, dass mein Fiffi gewinnt!" an.
Kaum waren Hundebesitzer und die auf der Wiese liegen Leute verschwunden,
bevölkerten Sportbegeisterte den Park. Wo ich die Nacht verbringen sollte, war mir noch
völlig unklar.
Ich radelte abends noch ein paar Stunden durch die Stadt, war ziemlich interessant.
Als ich auf einer Bank saß wurde ich von Deutschen auf englisch gefragt, ob ich
für sie ein Foto machen könnte. Sie waren so froh, dass sie einen ziemlich englischen
Satz zusammenbrachten, dass sie gar nicht merkten, dass ich auf Deutsch antwortete.
Jedenfalls bedankten sie sich wieder auf Englisch.
Dann begab ich mich wieder in den Stadtpark, um mir ein Plätzchen für dei Nacht zu suchen.
Die besten Plätze, direkt am Wasser waren schon von Obdachlosen belegt und ich musste
eine ganze Weile suchen, um eine einigermaßen sichtgeschützte Stelle zu finden,
wo nicht hingepinkelt wurde.
Die Stelle war aber gar nicht so schlecht, direkt auf von der Sonne aufgewärmten Felsen.
Ich kochte Nudeln und schüttete spaßeshalber Zucker mit rein.
Schmeckt am Anfang gar nicht so schlecht, aber nach ein paar Löffeln...
Mo, 27.08.01
Ich erwachte 6.00 Uhr und erst jetzt viel mir auf, dass rund um mich herum Hochhäuser
standen. Vermutlich sahen jetzt gerade hunderte Leute auf mich herab. Egal.
Ich frühstückte Müsli mit Milch und sah später den Leuten zu, die den ganzen Müll von
gestern aus dem Park sammelten. Dann tauschte ich meine schwedischen und norwegischen
Kronen in finnische Währungseinheiten und schaffte es bis 15.00 Uhr, meine Münzen um
56 auf 4 FIM zu reduzieren (auf Deutsch: zu verfressen).
Pünktlich saß ich in der Fähre nach Tallin und wurde von dem Mobiltelefongepiepse hier
fast verrückt. Wie kann man sich nur so einen Mist anschaffen?
Die Fahrt nach Tallin dauert theoretisch 40 Minuten, zurück 2h + 35min.
Nach 35 min., die mir wie 95 min. vorkamen war ich in Estland.
Wer jetzt mit den Zeiten nicht klarkommt, darf sich noch mal den Text vom 15.08
durchlesen.
Ich holperte also über eine Rampe und bekam am Ausgang des Hafens einen ersten Stempel
in den durch Wassereinfluss völlig deformierten Reisepass.
Wenige Meter weiter geriet ich in eine große dichte Staubwolke, die von Straßenbauarbeiten
stammte. Nachdem ich die Atemprobleme überwunden hatte, steckte ich plötzlich mitten im
Talliner Stadtverkehr, es war ein fürchterliches Durcheinander.
Mit der Zeit merkte ich, wie man in dem Verkehrsstrom mitfahren muss und lernte die
Formel: Sicherheitsabstand = 5 cm * (Geschwindigkeit/Geschwindigkeit) = 5 cm * 1 = 5 cm.
Deshalb war ich sehr erstaunt, als eine Straßenbahn wegen mir an einem Zebrastreifen hielt.
Bei einer SAMPO-Bank, die mich vom Namen her an einen finnischen Eisbrecher erinnerte,
tauschte ich, nachdem ich eine Nummer ziehen musste, meine FIM in Krooni.
Die Scheine sehen gut aus, allerdings gibt es von jedem Schein 2 Versionen.
Beispiel 500er: Bei der alten Version fehlt dem Herrn ein Brillenbügel, bei der neuen
Version ist er da.
Umtauschkurs DM:Krooni = 1:8.
Als ich die Stadt verließ sah ich viel Blaulicht und einen Radfahrer, der wohl mit 2 oder
3 PKWs Bekanntschaft machen musste. Ein Arzt packte gerade sein linkes Bein dick ein.
Nach der Durchquerung einer großen Plattenbausiedlung wurde der Verkehr endlich besser
und ich fuhr auf der [2], einer Autobahn weiter. Erst hatte ich Zweifel, aber als ich von
einem Mofa und einem Polizeiauto überholt wurde, war ich sicher, dass Radfahrer auf
Autobahnen fahren dürfen.
Ich fuhr in einen Seitenweg rein und stellte das Zelt an einen idealen Platz. Kurz darauf
fing es an, zu regnen. In Tallin leben scheinbar ziemlich viele Russen. Ob das die sind,
bei denen "MAF" wie Mafia am Nummernschild steht?
Di, 28.08.01
Nachts gab es starken Regen mit Sturm. Morgens war der Wind weg, aber nicht der heftige Regen.
In dem harten Boden versickerte kein Wasser und suchte sich so den Weg in mein Zelt.
Abends hatte ich meine Klamotten alle einfach so ins Zelt geschmissen, weshalb morgens
alles nass war.
Ich kochte mir Müsli und sang "Guten Morgen, liebe Sorgen..." vor mich hin.
9.00 Uhr fuhr ich los, Regen von oben, spritzende Autos von der Seite und weil das noch
nicht schön genug war, entwich meinem Hinterrad Luft. Sie sprudelte überall zwischen Reifen
und Felge heraus.
Erbärmlich frierend wechselte ich den Schlauch, wobei ich sehr große Probleme hatte, da ich
aufgrund der Kälte die Finger nicht mehr bewegen konnte.
Nach langer Bastelei bei Regen und Gischtwolken von LKWs war ich irgendwann fertig.
In nächster Zeit muss ich mir einen neuen Reifen für hinten kaufen, der Alte drieselt an
der Seite auf, sonst wäre der Schlauch ganz geblieben.
Zwischendurch hielt ich noch an einem Lebensmittelgeschäft, das eigentlich nur eine Scheune
mit Öffnungszeiten war. Ich kaufte ein 1/2kg-Brot, das zu lange im Ofen lag, 1,5l Wasser
und 1 Rolle Billigstkekse. Hier gab es Wurst, die schon in der Originalverpackung
eingetrocknet war und andere uralte Sachen.
Vor dem Geschäft sprach mich ein Este an, da er aber nur estisch und russisch sprach,
kam kein Gespräch zustande.
Langsam wurde der Regen wärmer, auch die Finger wurden wieder beweglich.
In Põltsama gab es ein Geschäft, das man auch als solches bezeichnen kann und in dem
fast alle Lebensmittel importiert waren, viel auch aus Deutschland.
Ich fragte 2 mal nach dem Weg, und merkte, dass hier niemand Deutsch oder Englisch spricht.
17.00 Uhr hörte der Regen auf und ich radelte gemütlich durch die schöne Landschaft, bis
es 18.00 Uhr wieder zu regnen anfing und ich zwischen Põltsama und Kolga-Jaani das
Zelt aufstellte.
Interessant fand ich die 2 Krooni-Scheine, die 0,25 DM wert sind.
Die Sprache ist dem Finnischen sehr ähnlich.
Mi, 29.08.01
Ich erwachte 6.00 Uhr und ließ mir Zeit, damit die Sonne das Zelt trocknen konnte.
Der Himmel war richtig blau, tolle Sache.
Alles bis auf die Schuhe ist gut getrocknet, also bearbeitete ich sie mit dem Gaskocher,
was ganz gut funktionierte.
9.30 Uhr fuhr ich los und schon nach kurzer Zeit wurde die Strecke unbefestigt, fast
schon richtiger Schotter.
Zwischendurch hielt ich an einem kleinen Laden, in dem die Verkäuferin ewig mit dem Kunden
vor mir quatschte. Ich kaufte ein kleines Brot (andere Leute nehmen 5 oder 6 davon mit),
250g Ketchup (aus Polen importiert) für 6,50 EEK, 1,5l Wasser für 8,40 EEK.
25g Magarine mit 70% Fett hilft gut gegen quietschene Kette, man muss die Kette aber mit
einem Feuerzeug erwärmen, damit das Fett reinläuft.
Obwohl ich kein Wort verstand erzählte mir jemand vor dem Geschäft viele vermutlich
sehr interessante Sachen. Unterwegs traf ich noch mehr Leute, mit denen man mehr
oder weniger gut mit Zeichensprache kommunizieren konnte.
Im Prinzip fragen alle als erstes:"Wo kommst du her?", als zweites:
"Wo willst du hin?", als drittes:"Wie lange bist du schon
unterwegs?"
Nach einiger Zeit war ich in Valga, hier verlief die Grenze quer durch die Stadt,
was schon ziemlich komisch war. Mitten in der Stadt war ein Grenzübergang für
Fußgänger und Radfahrer, ich aber musste umkehren und den neu gebauten
"Transit-"Übergang westlich von der Stadt nutzen.
Ich rollte also auf dem neu gebauten Grenzübergang langsam auf eine Schranke zu
als mir plötzlich eine weibliche Stimme hinterherschrie.
Ich verstand zwar kein Wort, es hörte sich aber an wie
"Komm zurück, du Halunke!"
ich fuhr zurück und entdeckte auf dem Asphalt eine verblasste Linie und ein kaum
noch sichtbares "STOP". Hinter einem winzigen Fenster saß ein fettes Weib
und stopfte lieblos meinen Reisepass in ein Gerät. Als das grüne Lämpchen anging,
war sie noch schlechter gelaunt und knallte lieblos einen zweifarbigen Stempel rein.
Die Beschilderung hier ist saumäßig, nach sehr langer Zeit und kilometerlangen
Umwegen war ich wieder auf der richtigen Straße und stellte das Zelt in den nächsten
Wald.
Das Hinterrad wurde wärend der letzten 2 Tage nicht besser sondern der Reifen
bekam mittlerweile eine Delle, wodurch ich auch auf glattem Asphalt das schöne
Hard-Enduro-Gefühl habe. Hoffentlich schaffe ich damit die nächsten 40 Kilometer
bis Valmiera.
Do, 30.08.01
Als ich 9.30 Uhr losradelte waren schon viele Pilzsammler am Straßenrand und
boten ihre Funde an. Die Leute schleppten hier eimerweise Pfifferlinge durch die Gegend.
Also wer denkt, dass man hier im Wald am frühen Morgen allein ist, irrt sich sehr.
Mit einem 30er Schnitt fuhr ich nach Valmiera, 20 km lang fuhr ein Mopedfahrer
direkt hinter mir. Keine Ahnung, warum.
Im Zentrum von Valmiera gab es mehrere Banken, DM : LAT = 3,5 : 1.
Die Münzen sehen genauso aus wie DM.
Der Weg zum Fahrradladen war vom Zentrum aus ausgeschildert, der Verkäufer aber
schwer von Begriff.
Nachdem ich ihm 5 mal auf englisch fragte, ob er Reifen hat,
fragte er: "Do you speak english?".
Ich bekam einen "Hudchinson Rock & Road" für 6.50 LAT.
Auf das Wechselgeld (3,50 LAT) musste ich eine halbe Stunde warten, da die Kasse leer
war und niemand von den herumstehenden Leuten so viel hatte.
Ich ging noch einkaufen und als ich die Stadt verließ sah ich plötzlich zwei
Ortlieb-Lowrider-Taschen neben mir. Dazu gehörte ein Fahrrad, auf welchem ein Österreicher saß.
Er war eine Woche vor mir am Nordkap und als ich ihm von menen Reifenproblemen erzählte,
erriet er sofort, dass der Reifen von Schwalbe sein musste, er hatte auch mal
einen von der Firma, bei ihm ging der Draht raus.
Als ich anhielt, um den neuen Reifen einzubauen, fuhr er schon mal voraus und wurde
nicht wieder gesehen.
Völlig überraschend war ich plötzlich in einem Nationalpark, was man daran erkannte, dass
überall Touristenbusse und Souveniergeschäfte herumstanden und die Wanderwege im Wald
asphaltiert waren.
Nach 149 km nächtigte ich südlich in Sigulda an der [4], die hier aus einer frisch
gehobelten Dreckpiste bestand.
Die PKWs drifteten hier um die Kurven, was sicherlich viel Spaß macht, jedoch bleibt
der Staub mangels Wind über der Straße stehen.
Fr, 31.08.01
9.15 Uhr holperte ich los und immer, wenn LKWs vorbeikamen war erst mal eine Weile
wegen dem Staub gar nichts zu sehen. Also wartet man ewig oder fährt ohne etwas zu sehen
und hofft, nicht von der Straße abzukommen.
Ich wählte letzteres und fuhr nur ein mal in den Straßengraben.
Über die Dörfer Laubere, Jumprava und Dzelmes kam ich auf die [A6] und fuhr durch ein
Wasserkraftwerk, um auf die andere Seite des Flusses Daugava zu kommen.
Dann fuhr ich auf der [87] nach Westen über die bekannten staubigen Straßen.
Zwischen Taurkalne und Valle hielt einer der LKWs an, nachdem er mich eingenebelt hatte.
Der Fahrer quatschte mich an, ich fragte "Do you speak english?" worauf er mir 6
andere Sprachen aufzählte.
Ich wählte Deutsch.
Nach kurzer Zeit lag das Fahrrad hinten auf dem mit Erde beladenen Anhänger.
Ich dagegen saß zwischen einem Beifahrer mit Alkoholfahne und einem auch nicht mehr
ganz nüchternem Fahrer vorn im Scania.
Unglaublich, wie man mit einem voll beladenen LKW dermaßen über die Schotterstraßen
rasen kann.
Ein älterer Radfahrer kam uns entgegen, der Fahrer (vom LKW) fuhr ganz knapp vorbei
und deutete lachend auf den Rückspiegel. Man sah nur Staub und irgendwie konnte ich
nicht mitlachen. Zumindest hat sich mein Verdacht bestätigt, dass man hier als
Radfahrer absichtlich eingenebelt wird.
In Valle wurde mir in einer finsteren Kneipe, die als solche von außen nicht als solche
erkennbar war, ein lauwarmer Kaffee ausgegeben, weil ich weder Bier noch Vodka wollte.
Dass jemand was Alkoholfreies will, scheint hier sehr ungewöhnlich zu sein.
Fahrer und Beifahrer leerten eine 1,5l-Bierflasche und nahmen noch eine Flasche Vodka mit.
Dann durfte ich noch erfahren, wie man hier mit Elektronik umgeht:
Immer, wenn das Radio ausging, gab es eine Vollbremsung und mit viel Gewalt wurde
es zum Laufen gebracht. Ich hatte Mitleid mit dem Gerät, durfte es aber nicht
selbst reparieren: "Du nicht arbeiten!".
Es lief übrigens die ganze Zeit russische Musik von Taty, zwei Jahre später wurde die Gruppe
dann auch in Deutschland bekannt. Auf der Kasette waren noch andere Titel drauf, trotzdem
wurde immer wieder zurückgespult und so durfte ich mir hundert mal
"Malchik Gey" anhören.
Bei der nächsten Vollbremsung lief das Radio noch, trotzdem hieß es:
"Großes Problem."
Das Problem war folgendes: ein etwa 14jähriger stand am Straßenrand bei einem großen
Haufen Blumen. Der Fahrer stieg aus und unterhielt sich mit ihm bis er die
Straßenseite wechselte um auf den Bus zu warten.
Hier wurden seine Geschwister und seine Mutter von einem Besoffenen
überfahren wärend sie auf den Bus warteten, sagte mir der Fahrer, nahm noch einen
kräftigen Schluck aus der Bierflasche und fuhr weiter. Hinter mir rollte die Vodkaflsche
herum.
Kaum fragte ich, ob ich auch mal fahren darf, saß ich auch schon am Steuer des Skanias
mit voll beladenem Anhänger.
Ich dachte mir, wenn man hier betrunken durch die Gegend fahren kann ohne kontrolliert zu
werden, ist es auch kein Problem, als Ausländer, der keinen passenden Führerschein hat
und noch nie am Steuer eines so großen Fahrzeuges gesessen hat, durch die staubige Landschaft
zu kurven.
Die Beschleunigung war schlecht, die Bremse aber war sagenhaft. Schon beim vorsichtigen
Antippen flogen meine zwei Beifahrer durch das Führerhaus.
Für die beiden fuhr ich wohl zu langsam (max. 80 auf der unübersichtlichen, kurvigen
und staubigen Piste) und wurde wieder abgelöst.
In Iecava kamen wir auf die [A7] und durfte erleben, wie man mit 110 auf unübersichtlicher
Straße eine lange Autoschlange überholt, ganz vorn war ein LKW.
Plötzlich tauchte vorn ein entgegenkommender LKW auf und ich schätzte, dass er auf
unserer Höhe ist, wenn wir genau neben dem anderen LKW sind.
Meine Schätzung war richtig.
Statt zu bremsen blieb der Fahrer auf dem Gas.
Da aber auf der Straße kein Platz für drei ist, müssen drastische Mittel angewendet
werden: Die anderen beiden werden einfach links und rechts von der Straße gedrängt.
War Millimetersachte, weil sie erst in den letzten paar Millisekunden nachgaben.
Es wurde Abgeklatscht und der Skania gelobt. Ich hatte meine Adrenalinration für die
nächsten 5 Jahre auf einmal gekriegt.
Sekunden später bogen wir kurz vor Code links ab, das Fahrrad wurde abgeladen
(besser: ausgegraben) und ein Foto gemacht wärend der Dreck abgekippt wurde.
Ich bekam übrigens noch eine Kasette mit lettischer Musik geschenkt.
Mit durchdrehenden Rädern fuhren sie wieder zurück und mir fiel ein, dass ich eine Trinkflasche
im Führerhaus vergessen habe. Zu spät, war sowieso ein undichtes Mistding.
In Bauska ging ich noch kurz ein paar Nahrungsmittel kaufen und versuchte, ein ruhiges
Plätzchen für die Nacht zu finden. War gar nicht so einfach.
Zwischen Ceraukste und Grenctāle fragte ich einfach an einem
Bauernhof bei einer Frau nach. Ich dachte, die versteht mich sowieso weder Deutsch
noch Englisch und quatschte Deutsch mit viel Fingerarbeit drauf los.
Als sie dann auf Englisch grüßte war ich ziemlich überrascht und wiederholte alles in
dieser Sprache.
Später erfuhr ich, dass sie auch die deutsche Version verstanden hat.
Auf der Wiese hinter dem Haus saß ein Mann auf einem kleinen Hocker.
Davor stand ein kleiner Schwarz-Weiß-Fernseher in dem Basketball lief.
Die lettische Mannschaft hatte mit zwei Punkten weniger als die Gegner verloren,
was ich mir den restlichen Tag anhören durfte: "2 Punkte!!!"
Er sprach ziemlich gut Deutsch, seine Frau bevorzugte Englisch.
Eigentlich wohnen sie in Riga und kommen nur am Wochenende hier her.
Die Tochter studiert in Schwäbisch-Gmünd.
Abends gab es noch Tee und etwas Brot, Käse, Honig und Butter.
132 km geradelt + ??? km LKW.
Sa, 01.09.01
Ich erwachte 6.00 Uhr und verspeiste im Zelt 150g Maisflocken (neudeutsch: Cornflakes),
1 Brot und 70% der Wurst.
Ich packte alles aufs Fahrrad und wurde zum Frühstück eingeladen.
Sie wunderten sich nur, wie viel ich essen kann.
Dabei hab ich mich zurückgehalten und von meiner vorherigen Mahlzeit im Zelt gar
nichts erzählt!
Der Herr des Hauses rannte ständig raus, weil er glaubte, ein Traktorengeräusch
gehört zu haben. Er erwartete nämlich ein solches Fahrzeug, das ihm die Kartoffeln
ausgraben sollte.
Dann sollte ich trotz meinem Protest noch eine große Tüte voll Äpfel mitnehmen,
war gar nicht so einfach, die unterzubringen.
Wenn ich noch mal in der Gegend unterwegs bin, soll ich unbedingt vorbeikommen.
Nach kurzer Zeit war ich an der Grenze nach Litauen. Stempel, Geld tauschen,
DM : Litauisches Geld = 1 : 1,85.
Da ich durch Estland und Lettland meiner Meinung nach viel zu schnell hinter mich
gebracht habe, entschloss ich mich, gleich mal links nach Biržai abzubiegen.
Davon hielt mich auch der fehlende Asphalt nicht ab.
Wie auch in Lettland werden hier häufig Pferde und Ochsen in der Landwirtschaft
eingesetzt. Nach Biržai war die Straße asphaltiert und südlich von Rokikis
plazierte ich das Zelt im Wald.
Nach der gestrigen LKW-fahrt achtete ich mal auf leere Bierflaschen im Straßengraben,
es waren sehr viele.
Hatte den ganzen Tag Gegenwind und fuhr ca. 116 km.
So, 02.09.01
8.15 Uhr startete ich bei stark bewölktem Himmel.
Die Leute hier sind sehr religiös, überall stehen reich mit Schnitzereien
verzierte Holzkreuze herum, auch die Grabsteine auf den kleinen Friedhöfen sind
echte Kunstwerke.
Wasser holt man hier aus Ziehbrunnen, Wassertürme stehen nur bei Städten herum.
Den ganzen Tag lang fuhr ich an Strohfeuern vorbei, dannach sahen die Felder
gelb-schwarz gestreift aus und ich war abends gut geräuchert.
Ganz toll finde ich, dass hier die Lebensmittelgeschäfte auch am Sonntag geöffnet
haben: "Das da, runter, links, links, genau das. Zwei Stück bitte."
Die Läden in den Dörfern sehen immer gleich aus:
Tante-Emma-Läden, in denen man als Erstes Hochprozentiges sieht, nach einer ganzen Weile
erkennt man dann aber doch andere Sachen.
Heute entdeckte ich in einem "Supermarkt" erstmalig im Baltikum Müsli, das mir aber
ziemlich minderwertig erschien und sauteuer war. Demzufolge kaufte ich es auch nicht.
Strecke:
[120] bis zur [A6], Ukmergė hatte eine Umgehungsstraße, Vepriai, Gelvonai, das Zelt
plazierte ich vor Čiobikis im Wald. Am Ende des Tages durfte ich wieder nur
Schotter- und Wellblechstraßen fahren.
Mo, 03.09.01
Hatte heute den ganzen Tag Gegenwind, außer einmal, als ich in die völlig falsche Richtung
fuhr und fast in Vilnius landete.
Strecke: Čiobikis, Musninkai, Kernavė, Trakai, dann auf der [105] nach
Aukštadvaris und
von dort nach Süden. Das Zelt stellte ich an der [A4], die wohl in letzter Zeit umverlegt
wurde, in den Wald.
Die Landschaft war bergig, auf den Feldern hörten die Bauern häufig mit der Arbeit auf,
wenn ich vorbeikam. Die gelben Tankwagen, über die ich mich anfangs wunderte, holen übrigens
bei den einzelnen Bauernhöfen die Milch ab. Steht zwar groß "Milch" dran, aber
leider auf Litauisch, nur sehr langsam erlerne ich das eine oder andere Wort.
Wärend ich hier schreibe (12/02) fällt mir nur das Wort "Parduotuve" ein,
zumindest glaube ich, dass das litauisch war und so viel wie "Lebensmittel" heißt.
Die Straßenverhältnisse waren zeitweise so ungünstig, dass ich einfach in dem
Geröll steckenblieb. Das nutzte ich gleich dazu, um nach 110 km die erste Pause für heute
zu machen. 15 km weiter baute ich schon das Zelt auf, weil es gegen 18.00 Uhr zu regnen
anfing.
Di, 04.09.01
Heute gab es wieder viel, viel Gegenwind.
Ich radelte nach Alytus und dann weiter nach Süden.
Mittags kaufte ich 2 Brote und Wurst, was bei der nächsten Pause komplett alle gemacht
wurde. Das lag daran, dass die Brote zwar ziemlich groß waren, das Stück aber nur 350 g wog.
Kurz vor der polnischen Grenze investierte ich meine letzten Münzen in ein 700g-Brot und
Maisflocken (Cornflakes). Der polnische Grenzbeamte nahm meinen Reisepass, blätterte in
einem Hefter, in dem wohl stand, dass Deutsche keinen Stempel brauchen.
Eine Weile dachte er angestrengt nach und entschloss sich, vorsichtshalber doch einen
Stempel reinzudrücken, der aber überhaupt nicht seine polnische Herkunft erkennen lässt.
An der Grenze tauschte ich etwa 1:1, also musste ich wieder durch 2 teilen.
Kurz nach der Grenze sah ich zwei Apfelbäume, an denen ziemlich kleine, aber sehr gut
schmeckende Äpfel (was sonst?) an seinen Zweigen baumeln ließ.
Nach wenigen Sekunden war meine rechte Fahrradtasche gefüllt.
Etwa 30 km vor Augustów stellte ich das Zelt schon 16.30 Uhr in den Wald, weil ich keine
Lust zum Fahren mehr hatte und aus der Ferne ein Gewitter heranzog.
116 km.
Mi, 05.09.01
Der Morgen begann mit leichtem Regen und in der Nähe von meinem Zelt wurden Bäume gefällt.
Als ich 8.30 Uhr losfuhr fiel mir auf, dass die Wassertropfen nur von den Bäumen fielen,
also doch kein Regen sondern nur Nebel.
In dem Wald hier soll es übrigens Wölfe geben. Leider sah ich keinen.
Ständig fuhren leere Autotransporter von Litauen nach Polen , Volle
fahren wieder zurück. In den Baltischen Ländern waren oft PKWs zu sehen, auf denen hinten
noch ein D drauf klebt. Ob wohl einige davon in Deutschland vermisst werden?
Da mir meine polnische Landkarte abhanden gekommen ist, schreibe ich jetzt (12/02) unter
Zuhilfenahme einer polnischen Campingkarte aus dem Jahre 1977!
Ich radelte über Augustów, Grajewo und Stawiski nach Kolno.
Hier fing ein MTB-Fahrer an, mir zu folgen. Über eine ziemlich lange Strecke fuhr der
faule Hund in meinem Windschatten (Gegenwind), mir war der Typ nicht ganz geheuer,
er sprach kein Wort und ich machte mir Gedanken, was der wohl für Schlechtigkeiten
vorhatte.
An einer günstigen Stelle fuhr ich blitzartig 2 Meter nach rechts und bremste aus ca.
35 km/h auf 0 ab. Er rauschte vorbei und ich fuhr hinter ihm weiter, da fühlt man sich
gleich viel sicherer. Erstaunlicherweise hielt er immer noch die gleiche Geschwindigkeit
für die nächsten Kilometer bei, bis ich irgendwo vor Myszyniec wegen einsetzendem Regen
gegen 17.00 Uhr meine aus dünnem Gewebe bestehende Behausung (Zelt) im Walde errichtete.
In der Gegend rennen viele verwilderte Schäferhunde, die in Wäldern, auf Feldern und in
Ortschaften herum. Meist sind sie furchtbar mager und halten zu Menschen großen Abstand.
Auch hier, etwa 200 m hinter meinem Zelt sind welche.
Nördlich von Augustów ist eine ziemlich touristische Gegend, in Grajewo fand ich einen
Pfennig. Deutsche Autos waren auch genug unterwegs.
Polen scheint es wirtschaftlich besser zu gehen als den Baltischen Staaten.
Ach ja: 158 km gefahren.
Do, 06.09.01
Nachts gab es gelegentlich Regen, morgens war nur bewölkt. 8.30 Uhr fuhr ich los
und sah zerflederte Hunde und Frischlinge (= kleine Wildschweine) auf der Straße
herumliegen. Rüdiger Nehberg wäre hier fett geworden.
Heute war scheinbar in ganz Polen Markttag. In Myszyniec gab es auf dem Marktplatz
Käse, Strohballen, Klamotten, Kühe, Autoteile, Brot, Schweine usw., alles direkt von den
LKWs oder Kutschen.
Ich fuhr weiter über Chorzele, Grudusk und Ciechanów, wo ich versehentlich in
Richtung Płonsk statt Płock weiterfuhr. Zwischen Ciechanów und Płonsk
stellte ich nach 128 km das Zelt
irgendwo in den Wald etwa 100 m neben einem gut besuchten Friedhof. Der ganze Wald ist
hier voll mit Spinnen, überall auf mir kriechen die Tierchen herum. Auch heute waren
den ganzen Tag Hunde unterwegs, auch in den Städten, dort aber eher kleine Mischlinge.
Sieht interessant aus, wenn eine Hündin mit ihrem Nachwuchs über die Felder rennt.
Die Kommunikation mit der Bevölkerung ist hier ziemlich schwierig. Nur mit viel Mühe konnte
ich bei so einer kleinen Dorfpost verständlich machen, dass ich eine
"Karta telefoniczna" möchte.
sonst:
Brot = chleb (ch wie bei 'ach')
Wasser = Woda
und letzteres gibt es hier billig in 5-Liter-Flaschen, die, wenn ich sie hinten auf das
Fahrrad binde, selbiges ziemlich träge machen.
Erstaunlich viel Interesse ruft der kaputte, hinten auf das Fahrrad gebundene Schwalbe-Reifen
hervor.
128 km.
Fr, 07.09.01
9.30 Uhr radelte ich los und fuhr gemeinsam mit den Bauern, die mit ihren Kutschen
unterwegs waren zur nächsten Stadt, wo sie auf dem Markt ihre Kartoffeln, Zwiebeln oder
was sie sont noch anbauen, verkaufen.
Nach Płonsk fuhr ich durch Płock, kurz dannach standen im Wald am Straßenrand
4 Nutten herum. Sonst gab es an jedem Wäldchen Leute, die ihre gefundenen Pilze
verkauften (Steinpilze und Pfifferlinge).
Später gab es kaum noch Wald, nur noch Gemüsefelder.
Nachmittags rief ich mal zu Hause an. Ein gewisser Ringo Scheffler wollte sich wohl
persönlich davon überzeugen, dass ich wirklich unterwegs bin und wäre wohl gern mitgekommen.
Pech für ihn, ich hab's ihm ja angeboten.
Hier ist es übrigens üblich, abends von der Arbeit nach Hause zu trampen.
Abends gab es vor und nach Krośniewice aus ungeklärter Ursache viele Kilometer Stau.
Die LKW-Fahrer holten sich Maiskolben vom Feld, Busfahrggäste liefen gemütlich rauchend
neben dem Bus her, andere Leute nutzten die Zeit, um ihre Fahrzeuge zu reparieren.
Gestern sah ich an den Wänden einiger Bushaltestellen Hakenkreuze, die an Galgen
aufgehängt waren. Heute war es anders, Die Hakenkreuze standen frei herum, dafür
waren Judensterne an Galgen aufgehängt. Daneben entsprechende Sprüche in Englisch.
Der Grund wurde mir erst einige Wochen später klar, denn die Polen waren im 2. WK
nicht nur arme Opfer sondern vor dem deutschen Überfall auf Polen große Anhänger von
Hitler und schickten ebenfalls die Juden zum Teufel.
Ob die Zeichen heute noch die allgemeine Meinung hier wiederspiegelt oder ob es nur
vereinzelte Personen sind, weiß ich aber auch nicht.
Das Zelt stellte ich in ein mückenreiches Sumfgebiet, 9 km vor Klodawa
Sa, 08.09.01
Nachts hab ich ziemlich schlecht geschlafen und morgens fing es auch noch an, kräftig
zu regnen. Starker Wind kam von links vorne und so bekam ich voll das aufspritzende
Wasser der Kraftfahrzeuge ab. Einmal musste ich sogar anhalten und das Wasser aus
meinem linken Ohr schütteln. Heute wird endlich die Karte von Polen richtig eingeweicht,
also wird keine der mitgenommenen Karten in einigermaßen gutem Zustand diese Tour überstehen.
Den ganzen Tag waren wieder judenfeindliche Malereien an den Bushaltestellen zu sehen.
Nachmittags hörte der Regen gelegentlich auf und die Sonne kam raus. Daraus folgte große
Hitze in der Regenhose. Also zog ich sie aus, worauf es sofort wieder anfing,
fürchterlich zu regnen. Lag übrigens am Wind, der mir so stark entgegenpustete, dass
das Wasser auf der Straße bergauf floss und ich mit aller Kraft bergab auf sagenhafte
7 km/h kam. "Es wird Herbst", dachte ich mir, "Die Äste fallen von
den Bäumen.". Einer davon krachte direkt neben mir auf die Straße.
Wie ich heute auf 117 km kam, ist mir völlig unklar.
Strecke: Kłodawa, an Koło links vorbei, Turek, Kalisz.
Überall wurde heute geheiratet, keine Ahnung warum.
Das Zelt stellte ich zwischen Kalisz und Ostrów WLKP in ein kleines Wäldchen.
Scheinbar die einzige einigermaßen sichtgeschützte Stelle in der Gegend, wie ein
Präservativ einige Meter vom Zelt entfernt vermuten lässt.
Für den Kocher ist das Wetter einfach zu kalt, die winzige Flamme schaffte es auch nach
1,5 Stunden nicht, 1 Liter Wasser zum Kochen zu bringen. Dafür war der Sonnenuntergang
mächtig gewaltig.
So, 09.09.01
Die Nacht war ziemlich stürmisch, ich stand aber windgeschützt. Es ist auch kein Baum
auf mein Zelt gefallen. Das Zelt war trocken, die Sonne schien, es war schrecklich kalt
und der Gegenwind war immer noch so stark. Kaum hatte ich das Zelt abgebaut, fing es
wieder an, zu regnen. Vorangekommen bin ich genauso wie gestern, nur in Ortschaften
oder Wäldern war weniger Wind, wodurch ich besser vorankam.
Heute hab ich übrigens ziemlich oft meine Mütze verloren.
In Ostrów sprach mich einer an als ich gerade auf die Karte schaute. Auf die Frage, ob
er auch Deutsch spricht, antwortete er zwar mit "Ja", erklärte mir den Weg
aber komplett auf Polnisch. Alles, was ich verstand war, dass ich wieder zurück musste.
Wie kann man eigentlich am frühen Morgen schon eine Bierfahne haben?
In den Dörfern rannten heute alle Leute in die Kirche, teilweise in größeren Gruppen,
ganz vorn trug jemand ein großes Holzkreuz.
Dann war Ruhe, überall verlassenen Häuser und Höfe.
Sah schon lustig aus, wie vor den Kirchen lange Reihen "Polski Fiat" standen.
Je weiter ich nach Westen kam, desdo teurer wurden die Waren in den Geschäften.
Auch die Öffnungszeiten sind hier teilweise eingeschränkt.
Viele Anhalter finden es scheinbar besonders witzig, mich besonders zu betteln, sie mitzunehmen.
Ich fuhr über Krotoszyn, Milicz und Trzebnica (bitte 10 mal schnell hintereinander
aussprechen!), um vor Obornik am Feldrand, durch ein Wäldchen von der Straße getrennt,
meine transportable Behausung windgeschützt aufzustellen. Sofort fing es an, zu regnen.
Große Wassertropfen knallten von den Bäumen auf mein Zelt.
Nach viel Anstrengung bei Gegenwind schaffte ich heute 110 km.
Wollte eigentlich morgen in Zittau ankommen, wird aber vermutlich nichts.
Mo, 10.09.01
Es regnete die ganze Nacht, auch am Morgen hörte es nicht auf.
Der Sturm ist auch noch da, nur viel kälter.
Sehr toll hat man hier die Straßen gebaut: am Rand höher als in der Mitte, dadurch
bildetetn sich große, tiefe Seen, was für Radfahrer nicht so toll ist, besonders wenn
ein Autofahrer durch einen solchen durchfährt.
Die Beschilderung ist hier besonders in den Städten saumäßig, überall steht nur, wie ich nach
Wroclaw komme und sonst nichts.
Der fürchterliche Gegenwind machte mich völlig fertig, zusätzlich knackt und quietscht das
rechte Pedal. Die Plastekappe muss irgendwann abgefallen sein, wodurch Dreck in das eine
Kugellager kam und selbiges zerstört wurde und irgendwann heimlich rausfiel.
Gelegentlich klemmt jetzt das Pedal.
Kome morgen wahrscheinlich immer noch nicht bis Zittau.
Strecke: Obornik, Wołów, Brzeg Dolny, Prochowice, Legnica, Jawor.
Zelt steht im Wald zwischen Jawor und Świerzawa.
110 km.
Di, 11.09.01
Nachts gab es gelegentlich Regen, morgens ist es kalt und nicht zu vergessen: starker Gegenwind.
Ich radelte 8.00 Uhr los und bin fleißig weiter falsch gefahren.
Vor Świerzawa bog ich links ab, um nach Wleń zu kommen,
landete aber in Jelenia Góra.
Ich kurvte durch Jelenia Góra, Wleń, Plawna, Lubomierz, Gryfów und Lubań.
Es gab endlich mal wieder Berge.
16.00 Uhr hatte ich keine Lust, weiterzufahren. 17.00 Uhr stand das Zelt irgendwo vor
Bogatynia im Wald. Ich schätze mal, westlich von Zareba.
Hier ist übrigens die "Euroregion Neiße"
17.20 Uhr wurde mein schwarzer Kuli alle, weshalb ich jetzt blau weiterschreiben muss.
Komischerweise wird es um diese Zeit schon dunkel. Für morgen werde ich mal den Wecker
stellen, da es auch ziemlich spät hell wird.
Mi, 12.09.01
Gestern abend hat noch jemand im Wald hinter meinem Zelt Bäume zu Brennholz verarbeitet.
Er hat mich sicher gesehen, kam aber nicht vorbei.
Als es dunkel wurde, waren überall seltsame Geräusche zu hören. Links neben dem Zelt
vermute ich einen Fuchsbau, rechts neben dem Zelt hat des Nachts jemand einen Vogel gerupft.
Nach 6.00 Uhr wurde es langsam hell und es fing an, zu regnen.
Ich fuhr noch eine Weile an der Deutschen Grenze entlang
nach Bogatynia, eine Brücke, die über den Grenzfluss führt ist mit kiloweise
Stacheldraht gesichert, dabei dachte ich, dass ich hier einfach mal schnell rüber kann.
Dann nehme ich eben den offiziellen Übergang weiter südlich.
Links tauchte plötzlich ein ziemlich großer Tagebau auf, der noch in Betrieb ist.
Am Grenzübergang wollten 5 Leute meinen Pass sehen und sahen ihn sich ganz genau an.
Erst dachte ich, dass es daran liegt, dass ich inzwischen wie der letzte Lump aussehe,
Stunden später fand ich heraus, dass es wohl daran lag, dass jemand heimlich (d.h.
ohne, dass ich davon etwas mitbekam) zwei amerikanische Bürogebäude hat einstürzen lassen
und das amerikanische Kriegsministeriumsgebäude demolierte. Ehrlich gesagt war ich von
der Tat nicht sonderlich überrascht, eigentlich hab ich sowas schon erwartet.
Zurück zum Thema:
Eine weitere Neuigkeit für mich war, dass ich irgendwie das Sprechen fast verlernt hatte.
Einer der Grenzbeamten fragte mich, wie lange ich schon unterwegs bin, worauf ich die
"55" unbeabsichtigt dermaßen vernuschelte, dass ich es selbst kaum
verstehen konnte. Es klang wie "Füfffnfüfschsisch"
Meine in Zittau wohnenden Großeltern waren heute da, also konnte ich gleich hier übernachten.
Vorher ging's aber noch in die Sauna.
Warum das Blau vom Text dunkler geworden ist? Ganz einfach: der blaue Kuli schrieb
nicht richtig, also nahm ich einen Dunkelblauen.
Do, 13.09.01
Auf bekannter Strecke fuhr ich bei Regen und Kälte nach Hause.
Mittags hielt ich kurz vor Pirna an einer billigen Gaststätte an, wo ich der einzige
Kunde war und für 5 Mark speiste. Die Wirtin wollte sogar meine Kleidung in den Trockner
stecken.
Je weiter ich nach Hause kam, desdo langsamer wurde ich. Ist meine Tour denn tatsächlich schon
zuende? Ich könnte noch jahrelang weiterfahren...
Ende.
Hier kommt nichts mehr!
Na gut.
Kaum war ich wieder da, kam ein gewisser Herr Ringo Scheffler und wollte in ein paar
Tagen zu einer kleinen Radtour starten. Und ich sollte mitkommen.
Die Strecke war mir sofort klar, der wird sich wundern...
Sinnlose Statistiken:
70 mal kam das Wort 'Regen' oder eine Abwandlung davon vor
17 mal wurde die 'Sonne' erwähnt.
40 mal das Wort 'Wind'
Davon 0 mal das Wort 'Rückenwind'
18 mal 'kalt' oder 'Kälte'
7 mal 'warm' oder 'Wärme', davon aber fast nie im Zusammenhang mit dem Wetter